Unterstützung aus der Luft

Unterstützung aus der Luft
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Foto: gettyimages
04.06.2021 | Hackroboter, Sprühdrohnen und ferngesteuerte Mähmaschinen: Die moderne Landwirtschaft gleicht immer mehr einem Freiluft-Hightech-Labor. Immer mehr Landwirte setzen Drohnen ein – etwa beim Weinbau oder zur Schädlingsbekämpfung beim Mais.

Im Juli fliegen sie wieder über den Maisfeldern: die Drohnen von Fenaco Agroline. Ihre Mission: den Maiszünslern den Garaus zu machen – und zwar mithilfe von biologisch abbaubaren Kapseln, die Schlupfwespen (Trichogrammen) in sich tragen. Diese legen ihre Eier in diejenigen des Maiszünslers und parasitieren sie dadurch. Schlupfwespen werden im Biolandbau schon seit Jahrzehnten zur Bekämpfung von Schädlingen eingesetzt. Das war allerdings bis vor kurzem mit mühsamer Handarbeit verbunden. Der Multikopter hingegen braucht nur vier Minuten, um eine Mais-Hektare mit Trichogrammen zu bestücken – rund fünfmal weniger als ein Landwirt.

 

Präzise und leise


Zurzeit fliegen alleine in der Schweiz 25 Drohnen im Dienste der Landwirtschaft. Zweites Einsatzgebiet ist der Rebbau, vor allem an steilen Hängen, wie Thomas Anken erklärt. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Digitale Produktion beim Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Forschung Agroscope und beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Digitalisierung der Landwirtschaft. In den Weinbergen verteilen Drohnen Pflanzenschutzmittel. «Das bringt eine enorme Arbeitserleichterung», sagt Anken. Der Vorteil der kleinen Helfer aus der Luft: Sie arbeiten sehr präzise und leise – im Gegensatz beispielsweise zu Hubschraubern. Diese verursachen zudem Abdrift, die Pestizide landen also dort, wo sie nicht hingehören. Die Drohnen hingen können dank GPS-gestützter Programmierung sehr gezielt dort eingesetzt werden, wo es wirklich nötig ist. Billig ist diese Lösung allerdings nicht: Eine Drohne kann lediglich 15 Liter Pestizid laden und kostet in der Anschaffung rund 30 000 Franken.


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An Steilhängen bietet sich der Einsatz von Drohnen besonders an. [Foto: Sebastien Ruttimann]
Zudem müssen sich die Anwender mit der Technologie gut auskennen, weshalb Landwirtschaftsbetriebe sich zusammenschliessen und die Dienste von Lohnunternehmern in Anspruch nehmen. Auch wenn die Landwirte damit ein Stück Kontrolle aus der Hand geben, sind die Rückmeldungen «sehr gut», wie Anken betont.


Die Schweiz spielt bei der Entwicklung der Drohnentechnologie weltweit eine Schlüsselrolle. Dies betrifft vor allem die Entwicklung von Sensortechnik, Drohnensteuerung und Datenverarbeitung, wo international Standards ge­setzt werden.
Das gilt auch für die Rechtsprechung. So hat die Schweiz als einziges europäisches Land eine offizielle Zulassung von Sprühdrohnen in der Landwirtschaft und ist deshalb eine gefragte Ansprechpartnerin für die internationale Normierung.


Retter in der Not


Relativ häufig werden Drohnen als fliegende Kameras eingesetzt. Ein Beispiel ist die Rehkitzrettung mithilfe von Wärmebildkameras. Für die grossflächige Erfassung von Landwirtschaftsflächen bieten hingegen Satellitenbilder eine kostengünstige Alternative. «Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) stellt Überwachungsbilder von Satelliten gratis zur Verfügung», sagt Thomas Anken. Deren Auflösung ist allerdings viel geringer, und Wolken können die Sicht verhindern.


Eine weitere Anwendung stellt die Messung der Nährstoffversorgung von Ackerkulturen dar, die sich mittels multispektraler Bilder erheben lässt. So kann an jeder Stelle im Acker genau die Menge Dünger verabreicht werden, die dort auch durch die Pflanzen verwertet wird. Damit lassen sich unerwünschte Einträge von Nitrat ins Grundwasser oder Lachgas in die Atmosphäre minimieren.


Tatsächlich sind bereits auf der ganzen Welt Drohnen für landwirtschaftliche Zwecke im Einsatz. In Afrika gelten sie als Schlüsseltechnologie und werden beispielsweise zur Kartografierung von Landflächen eingesetzt, damit Bauern ihre Landrechte geltend machen können. Auch Dürre soll mithilfe der unbemannten Fluggeräte bekämpft werden: So werfen im Sudan Drohnen Akaziensamen in Gegenden ab, wo Wüstenbildung droht; gleichzeitig wird mittels Luftaufnahmen der Gesundheitszustand zahlreicher Pflanzen diagnostiziert. Die gesammelten Informationen ermöglichen es Landwirten, Forschenden und Hilfsorganisationen, Ernteschäden zu reduzieren.


Wie die Zukunft der Landwirtschaft aussehen könnte, zeigt der Blick nach Japan: Der Einsatz von Drohnen ist für die dortigen Reisbauern Alltag. Bereits im Jahr 1990 brachte Yamaha seinen unbemannten Mini-Hubschrauber auf den Markt. Mittlerweile sind über 2300 Geräte von verschiedenen Herstellern im Einsatz, die Reisfelder behandeln. Auch in den USA stehen die japanischen Drohnen kurz vor der Zulassung. Einer Studie der Association for Unmanned Vehicle Systems International (AUVSI) zufolge können durch die Zulassung von zivilen Drohnen in den USA rund 70 000 neue Arbeitsplätze innerhalb von drei Jahren entstehen und die Landwirtschaft umkrempeln.


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Hilfe vom Boden aus: der unbemannte Feldroboter Rowesys. [Foto: Steffen Imanuel Denker]

Langsamer Einzug


Davon ist die Schweiz noch weit entfernt. Und vielleicht kommt sie auch gar nie dorthin: Zwar sieht Thomas Anken weiteres Potenzial für künftige Anwendungen, so etwa bei der Früherkennung von Krankheiten mittels gezielter bildgebender Verfahren. Allerdings wird die moderne Technologie eher langsam Einzug in die aktuelle Landwirtschaft halten, wie der «Technology Outlook» 2019 der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften festhält. Ein Grund dafür sind «wenig an Produktionseffizienz gebundene Agrarsubventionen», wie es im Bericht heisst. Thomas Anken rechnet denn auch damit, dass der Einsatz von Drohnen für die Schädlingsbekämpfung in der Schweiz auch künftig eine Nische bleiben wird. «Beim Einsatz in Steilhängen könnten die Drohnen aber zur Norm werden.»


Allerdings wird die Landwirtschaft ja nicht nur aus der Luft revolutioniert – auch auf dem Boden sind Prototypen von digitalen Helfern im Einsatz – zum Beispiel Feldroboter (siehe Artikel zu Rowesys) oder ferngesteuerte Mähmaschinen bei Berghängen. Thomas Anken sieht grosses Potenzial bei solch unbemannten Fahrzeugen. Allerdings: «Es gibt gesetzliche Lücken, beispielsweise was die Haftung bei Unfällen betrifft», so Anken. Vorerst hat die echte Landwirtin aus Fleisch und Blut also nicht ausgedient.

 

Text: Astrid Tomczak


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