Selbstkalibrierendes
Thermometer im laufenden Prozess

Selbstkalibrierendes Thermometer im laufenden Prozess
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Eine neue Sensor-Technologie ermöglicht erstmals eine prozessabhängige automatische Inline-Kalibrierung in sehr kurzen Kalibrierintervallen.
06.12.2018 | Die Kontrolle der Temperatur ist in vielen Prozessen der Lebensmittelindustrie entscheidend. Durch den Einsatz von iTHERM TrustSens spart die deutsche Walter Rau Neusser Öl und Fett AG pro Jahr rund 3000 Prozessunterbrechungen.

Die Walter Rau Neusser Öl und Fett AG veredelt pflanzliche Rohstoffe zu hochwertigen Ölen und Fetten, die später etwa zur Herstellung von Eis oder Backwaren verwendet werden. Mit modernsten Verfahren werden hierfür zum Beispiel frisch gepresste Speiseöle unter Vakuum erhitzt, um flüchtige Bestandteile und gelöste Gase aus dem Öl zu entfernen. Ist die Prozesstemperatur zu hoch, nimmt das Produkt Schaden – ist sie zu niedrig, wird es nicht richtig gereinigt. Bisher mussten die Sensoren bei jedem Produkt- und Batchwechsel kalibriert werden. Ein enormer Aufwand, der mit dem iTHERM TrustSens von Endress+Hauser jetzt der Vergangenheit angehört: Es kann sich als weltweit erstes Thermometer im laufenden Prozess selbst kalibrieren. Durch Einsatz von iTHERM TrustSens spart sich die Walter Rau Neusser Öl und Fett AG im Jahr rund 3.000 Prozessunterbrechungen und ebenso viele Technikereinsätze.

 

Sicherheit in der Lebensmittelproduktion braucht konsequente Kalibrierung der Messstellen. Mit einer neuartigen Funktion kann ein Temperatursensor den Aufwand dazu deutlich vereinfachen: Seine komplett automatisierte Inline-Selbstkalibrierfunktion reduziert Risiken, steigert die Anlagenverfügbarkeit und dokumentiert die Kalibrierergebnisse automatisch.

 

Der iTHERM TrustSens TM371 ist das weltweit erste Thermometer mit integrierter Selbstkalibrierfunktion. Ein Meilenstein in der Temperaturmesstechnik.

Nach rund 10 Jahren Forschung und Entwicklung ist der TrustSens in der Vorserienreife seit Herbst 2016 bei Feldtestkunden erfolgreich im Einsatz. Einer davon ist die Walter Rau Neusser Öl und Fett AG: Ein traditionsreicher Lösungsanbieter für die Lebensmittelindustrie.

 

Frisch gepresste Speiseöle, z.B. Sonnenblumen- oder Rapsöl, werden hier zur Reinigung unter Vakuum erhitzt, um flüchtige Bestandteile und gelöste Gase aus dem Öl zu entfernen. Dies verbessert die Haltbarkeit und den Geruch des Produktes. In der dafür notwendigen Anlage muss die Prozesstemperatur sehr genau kontrolliert werden, da zu hohe Temperaturen das Produkt beschädigen würden und die gewünschte Reinigungswirkung bei zu geringen Temperaturen ausbleibt. Zum Produktsortiment der Walter Rau AG gehören überwiegend große Marken mit hohem Bekanntheitsgrad. Diese Mega-Brands legen größten Wert auf die strikte Einhaltung der Qualitätsprozesse und somit auch auf die Kalibrierung der qualitätsrelevanten Messgeräte.

 

Die verschiedenen Pflanzenöle besitzen unterschiedliche Eigenschaften und Temperaturgrenzen. Folglich ändert sich die Temperatur in der Anlage bei jedem Batch und bei jedem Produktwechsel (Sonnenblumen-, Raps-, Kokos-, Palmöl etc.). Ideale Bedingungen also für einen Feldtest des neuen TrustSens. Die Selbstkalibrierung des Temperatursensors erfolgt bei jedem Abkühlvorgang, sobald die Temperatur von mindestens 121 °C auf unter 118 °C fällt. Diese Temperaturen sind völlig normal für eine hygienische Verarbeitung der genannten Öle.


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Der selbstkalibrierende Sensor besteht aus einem Widerstandsthermometer (Pt100) mit einer integrierten Fixpunkt-Referenz.
500 Kalibrierungen – 1.100 Betriebsstunden – Drift: 0
 
Die Batch- oder Produktwechsel erfolgen in einem Abstand von etwa 2 Stunden. In der Summe hat sich der TrustSens nach rund 40 Tagen im Einsatz mehr als 500-mal selbst kalibriert, ohne dass dazu ein Techniker der Walter Rau AG eingreifen musste. Bei Bedarf (z.B. bei einem Audit der Anlage) kann der Techniker jederzeit ein gültiges, aktuelles Kalibrierzertifikat auslesen und drucken.
 
Trotz der harschen Bedingungen mit mehr als 1.000 Temperaturwechselvorgängen und den damit verbundenen iTHERM TrustSens Phasenübergängen des Referenzkristalls zeigte sich im Einsatz keine erkennbare Verschiebung zwischen dem Pt100-Temperatursensor und der Fixpunktzelle. Die Stabilität des Verfahrens konnte so zweifelsfrei belegt werden. Dieser Feldtest war ein voller Erfolg.
 
Auch bei weiteren Feldtestkunden ist der TrustSens aktuell im Einsatz. Bei insgesamt 23 Kunden ergibt sich ein klares Bild: bislang wurde keine Abweichung über 0,07 °C gemessen.
 
Inline Selbstkalibrierung dank integriertem Referenzpunkt
 
Temperatur stellt in der Lebensmittelproduktion einen Schlüsselparameter dar, da – wie gezeigt – zahlreiche Prozesse unter definierten Temperaturbedingungen ablaufen müssen. Für qualitätsrelevante Temperaturmessungen werden aktuell häufig Widerstandsthermometer (Pt100 Sensoren) gemäß DIN EN 60 751 benutzt, da diese einerseits über eine hohe Genauigkeit verfügen und andererseits in einem breiten Messbereich (-196 °C bis 600 °C) eingesetzt werden können.
 
Der selbstkalibrierende Sensor iTHERM TrustSens TM371 besteht aus einem Widerstandsthermometer (Pt100) mit einer integrierten Fixpunkt-Referenz, die sich direkt am Sensor befindet. Das Referenzelement – eine speziell entwickelte Keramikzelle – nutzt einen physikalischen Fixpunkt auf Basis der Curie-Temperatur und ermöglicht eine direkte automatisierte Inline-Kalibrierung des Primärsensors. Der Sensor wird ab Werk mit einem Kalibrierschein für die integrierte Fixpunkt-Referenz ausgeliefert, wodurch die Rückführbarkeit der Kalibrierkette auf nationale bzw. internationale Normale bis zur Internationalen Temperaturskala ITS-90 nachweislich und lückenlos gewährleistet wird. Langjährige ausgiebige Belastungstests über viele tausende von Zyklen, sowohl im Labor als auch im Feld, bestätigen eine ausgereifte Lösung.
 
Die Kalibrierung erfolgt bei einer Temperatur von ca. 118 °C und erfasst in diesem Punkt die Unterschiede zwischen dem gemessenen Wert des Pt100-Sensors und der Referenz. Sie findet bei Prozessen statt, die die Temperatur erreichen, überschreiten bzw. durchlaufen. Damit kann in diesem Temperaturpunkt gezeigt werden, ob der Sensor noch korrekt misst oder sich bereits außerhalb der zulässigen Toleranz befindet. Die Messunsicherheit der Kalibrierung nimmt erwartungsgemäß mit der Entfernung der Temperatur vom Referenztemperaturpunkt zu, jedoch sind die Messunsicherheiten in der Umgebung dieses Referenztemperaturpunktes vernachlässigbar. Sie können je nach gefordertem Messintervall in einem technischen Datenblatt angegeben werden.
 
Verifikation und Dokumentation der Messstelle im laufenden Prozess
 
Die integrierte intelligente Transmitterelektronik verfügt über vielfältige permanente Prozess- und Diagnosefunktionen, die gemäß der Namur-Empfehlung NE107 kategorisiert, und via HART-Kommunikation übermittelt werden. Frei programmierbare Limit- und Alarmwerte bieten Kontrolle, Sicherheit und Prozesstransparenz. Zudem werden Statussignale über die im Gerät integrierte LED vor Ort signalisiert. Die Messstelle kann ohne Prozessunterbrechung im eingebauten Zustand jederzeit verifiziert und dokumentiert werden. Neben der automatisierten Kalibrierung an sich werden die Daten der letzten 350 Kalibrierungen direkt im Gerät gespeichert. Dadurch kann auf eine langfristige Geräte- und Prozesshistorie zurückgegriffen werden, welche als Grundlage für eine frühzeitige Trendermittlung und Prädikation nutzbar ist.
 
Dieses unter der Marke „Heartbeat Technology“ geführte Diagnose- und Prüfkonzept erlaubt einen kosteneffektiven und sicheren Anlagenbetrieb während des gesamten Lebenszyklus, indem es Diagnose-, Verifikations- und Monitoringfunktionen sinnvoll kombiniert. Damit ist das Gerät bestens gerüstet für die Industrie 4.0.
 
Audit-sicheres Kalibrierprotokoll
 
Die neue Technologie ermöglicht erstmals eine prozessabhängige automatische Inline-Kalibrierung in sehr kurzen Kalibrierintervallen. Erstmals stehen auch Audit-konforme Kalibrierdaten für eine lückenlose Dokumentation jederzeit zur Verfügung: Für die Ausgabe eines gültigen Kalibrierzertifikats genügt ein Mausklick (z.B. mit der Fieldcare-Software).
 
Der Sensor schließt bereits zahlreiche Fehlerquellen im Vorfeld aus und führt damit automatisch zu einer höheren Prozesssicherheit, die letztendlich die Forderung der gleichbleibenden Produktqualität unterstützt. Unter der Voraussetzung, dass die lebensmittel-spezifischen Anforderungen eingehalten werden, spricht dies klar für einen Einsatz der Technologie im regulierten Umfeld. Sie hilft außerdem dabei, sowohl den Aufwand, die Kosten als auch das Risiko maßgeblich zu senken, und gleichzeitig die Anlagenverfügbarkeit zu steigern.

Autor: Giovanni Colucci, Marketing Manager Temperaturmesstechnik, Endress+Hauser Messtechnik GmbH+Co. KG

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