Powering Africa

Powering Africa
Grossansicht Bild
Seit Ende 2016 produziert der Mount Coffee Staudamm in Liberia wieder Strom vor allem für die Millionenstadt Monrovia.
27.11.2017 | Als Enabler leistungsstarker Industrie 4.0 Konzepte ist IO-Link im Maschinenbau und in Fertigungsanlagen kaum mehr wegzudenken. Ebenso gut, schnell und effizient lassen sich mit IO-Link auch Wasserkraftwerke verkabeln: Am Mount Coffee Staudamm im westafrikanischen Liberia verknüpft eine intelligente IO-Link Installation über weite Strecken dutzende von Sensoren und Aktoren. Einfach, Zeit und Kosten sparend.

Inzwischen hat der Kraftwerksbetreiber typische IO-Link-Vorzüge auch bei Diagnose und Wartung kennen und schätzen gelernt. Die integrierte Verkabelungslösung der Projektpartner Andritz Hydro und Balluff hat das Potenzial, künftig auch in anderen Kraftwerksprojekten zum Einsatz zu kommen.


Im Dezember 2016 war es endlich soweit: Nach mehr als 20 Jahren Unterbrechung ging die erste Turbine in Betrieb, inzwischen können mit allen vier Turbinen jeweils 22 Megawatt in das Energienetz eingespeist werden. Die Ursprünge des 30 Kilometer nordöstlich der liberianischen Hauptstadt Monrovia gelegenen Mount Coffee Staudammes reichen weit zurück: Der Vorgängerdamm wurde im Jahr 1966 fertig gestellt, während des liberianischen Bürgerkrieges von 1989 bis 2003 jedoch nahezu vollständig zerstört. Als im Juni 2014 die Liberia Electricity Corporation (LEC) einem internationalen Unternehmenskonsortium den Auftrag zum Wiederaufbau erteilte, war über weite Teile der Anlage buchstäblich Gras gewachsen.


Gemeinsam mit weiteren Unternehmen wurde die österreichische Andritz Hydro beauftragt, das Kraftwerk am Saint Paul River wiederaufzubauen. Als globaler Anbieter kompletter elektromechanischer Ausrüstungen und Serviceleistungen für Wasserkraftwerke ist Andritz Hydro eines der größten Unternehmen am Markt für hydraulische Stromerzeugung weltweit. Andritz Hydro kann auf mehr als 170 Jahre Erfahrung zurückblicken und beschäftigt rund 7.300 Mitarbeiter an mehreren Standorten weltweit.


Bei der Revitalisierung des Kraftwerkes war Andritz Hydro für den gesamten Stahlwasserbau einschließlich der kompletten Elektronik, Antriebstechnik und Steuerung verantwortlich. Das Unternehmen sanierte sowohl die zehn Radialschützen am Staudamm als auch die vier Einlaufschützen für die Turbinen. Die Radialschützen dienen zur Wasserstandsregelung des oberwasserseitigen Reservoirs und werden mittels Seilwindwerken angetrieben. Die Einlaufschützen dienen zur Wasserzuführung an die Turbinen und Absperrung des Zuflusses (Notschlusses) im Fehlerfall wie beispielsweise beim Bruch einer Druckrohrleitung. Der Antrieb erfolgt hydraulisch. Hinzu kommen elektrische und hydraulische Antriebseinheiten sowie diverse unterstützende Systeme.


Der Mount Coffee Staudamm ist mit 160 Metern Länge und 10 Radialschützen mit jeweils 15 Metern Breite bei weitem nicht der größte seiner Art. Dennoch müssen über den gesamten Damm hinweg über weite Strecken mehrere Dutzend analoge und digitale Signale eingesammelt und der Steuerungsebene zur Verfügung gestellt werden.


„Was die Komplexität, die zahlreichen in der Peripherie stattfinden Aufgaben und die erforderliche Vernetzung anbelangt, ist der Staudamm im Grunde nichts anderes als eine weit verzweigte Industrieanlage“, betont Bernd Schneider, Industriemanager Energie bei Balluff. Schon vor 10 Jahren hat das auf Industrie- und Fabrikautomation spezialisierte Unternehmen mit einem breiten Portfolio vom einfachen Sensor über Wegmesssysteme bis zu intelligenten RFID-Lösungen erkannt, dass IO-Link der geeignete Standard ist, den Kommunikationsnotstand und das Verkabelungswirrwarr zwischen Bus- und Prozessebene zu beseitigen.


Als Punkt-zu-Punkt Verbindung mit einem hohen Maß an Standardisierung ist die universelle Schnittstelle bei Balluff und seinen Kunden nicht mehr wegzudenken. Zumindest dann nicht, wenn einfache Verkabelung, Übersicht und höchste Anforderungen an Diagnose und Parametrierung auf der Wunschliste ganz oben stehen. Und das ist heute bei hochgradig automatisierten Anlagen fast immer der Fall.


Grossansicht Bild
Balluff IO-Link-Master sammeln die Signale in der Hydraulik-Station ein.

Zwar verbindet Andritz Hydro und Balluff im Bereich des Turbinenbaus eine jahrelange Partnerschaft, IO-Link war bis dato im Unternehmen jedoch noch unbesetzt. Zeit und zunehmender Kostendruck ist auch im Kraftwerksbau ein zentrales Thema. Auch dort wird vorausgesetzt, dass Systemintegratoren ihre Komponenten zuhause im Rahmen einer Vorinbetriebnahme gründlich prüfen, bevor sie mitunter fern der Heimat in kürzester Zeit montiert, in Betrieb genommen werden und in der Gesamtanlage reibungslos und ausfallsfrei funktionieren müssen.


„Tatsächlich wird in der Branche noch in weiten Teilen klassisch per Kupferkabel über Zwischenklemmenkästen hoch bis zur Steuerungsebene verdrahtet - mit einem gigantischen Material- und Zeitaufwand“, sagt Berthold Wiesinger, verantwortlicher Elektroingenieur bei Andritz Hydro. Eine IO-Link Präsentation von Balluff überzeugte: Andritz Hydro entwickelte gemeinsam mit den Technikern der österreichischen Niederlassung von Balluff ein schlüssiges Elektronik-Konzept, das einfache Verkabelung, Standardisierung und Modularität zum Ziel hatte.


An jedem der 10 Radial- und 4 Einlaufschützen sind zwei Balluff IO-Link-Master in einem Schaltkasten montiert, die bis zu 20 unterschiedliche Signale im Feld einsammeln. Dazu zählen unter anderem induktive oder mechanische End- und Positionsschalter, Sensoren zur Ermittlung der Drehbewegung der Radialgates, Steuer-, Regel- und Absperrventile, Signallampen und beleuchtete Schalter. Je zwei IO-Link-Master sind an den Hydraulik-Stationen montiert, um auch dort die beteiligte Sensorik und Aktorik einfach anzubinden. Ausnahmslos werden sämtliche Komponenten im Feld mit ein und demselben 3-adrigen Standardkabeltyp sowie mit einheitlichen M12-Steckern angeschlossen. Wo analoge Signale eines beliebigen Sensors nicht unmittelbar verarbeitet werden können, wandelt ein kompakter Balluff-Zwischenstecker das analoge in ein störunanfälliges digitales Signal. Über die Stichleitungen eines Balluff IO-Link-Masters gelangen die Daten via Profibus DB zur Steuerungsebene. Weil das System redundant ausgelegt und das Stauwehr zweigeteilt ist, sind maximal 75 Meter zu überbrücken.


„Die Vorteile machen sich schnell bemerkbar: Weil wir anstatt zu verdrahten nur noch standardisierte Kabel stecken mussten, brauchten wir für die Verkabelung weniger als die Hälfte der sonst üblichen Zeit. Mit IO-Link können Sie jedes Modul vorab im Werk testen und müssen vor Ort nur noch stecken, das senkt spürbar Kosten“, ist Berthold Wiesinger überzeugt. Verdrahtungsfehler sind praktisch ausgeschlossen, die IO-Link Verdrahtungsphilosophie spart Platz und schafft Übersicht. Gerade international aufgestellte Unternehmen schätzen den Vorzug, dass IO-Link im Grunde mit jedem Bussystem eingesetzt werden kann: Die komplette Struktur unterhalb der Busebene bleibt immer dieselbe, nur der Busknoten muss je nach Land angepasst werden.


Auch in anderer Hinsicht sorgt die bidirektionale Kommunikationsschnittstelle für mehr Durchblick: IO-Link trifft eindeutig lokalisierbare Diagnoseaussagen, die eine schnelle Störungs- und Fehlerbehebung und damit nur kurze Betriebsunterbrechungen zur Folge haben. „Aus irgendeinem Grund hatten wir in der Anlaufphase ein Problem mit einem Sensor-Hub: Der wurde einfach von einem Mitarbeiter ausgetauscht und neu bestückt. Der Hub erhält seine Daten anschließend vom IO-Link-Master, der die relevanten Parametrierwerte vorhält. Nach nur kurzer Unterbrechung war die Anlage wieder in vollem Umfang leistungsfähig“, sagt Berthold Wiesinger. Von Vorteil überall dort, wo Anlagen nicht direkt vor der Haustür liegen und ein großer Teil der anfallenden Aufgaben auch von nicht spezialisierten Mitarbeitern ausgeführt werden können. Dank IO-Link ist Fernwartung bis auf Prozessebene möglich. Neben klaren Diagnosen und zielgerichteten Maßnahmen und Handlungsanweisungen im Störungsfall sind vorbeugende Wartungskonzepte einfach umsetzbar.


Berthold Wiesinger ist gedanklich schon einen Schritt weiter: Intelligente Sensorik wird die Anlagenverfügbarkeit in Zukunft weiter verbessern. „Sensoren, die Öltemperatur und Ölfeuchtigkeit messen, bei extrem beanspruchten Motoren Temperatur und Lager überwachen und bevorstehende Serviceintervalle selbständig mitteilen, werden auch in unserer Branche in Zukunft an Bedeutung gewinnen.“


Grossansicht Bild
Anstatt zu verdrahen müssen nur noch standardisierte Kabel gesteckt werden

Das Angebot universell einsetzbarer IO-Link Produkte wächst derzeit stetig. Für den Anwender geht das einher mit weiteren Optimierungsmöglichkeiten bei Verkabelung, Diagnose und Parametrierung. „Balluff bietet beispielsweise einen Analog-Hub an, mit dem u. a. Temperaturfühler und Thermoelemente direkt an ein Modul angeschlossen werden können. Mit der neuen Sicherheitslösung  „Safety over IO-Link“ lassen sich jetzt via IO-Link und Profisafe auch auf einfache Art und Weise sichere Zusatzeinrichtungen direkt anschließen. Der Vorteil: Mit dem standardisierten Verdrahtungskonzept ist künftig nur noch eine Infrastruktur für Automatisierungs- und Sicherheitstechnik erforderlich. Und das bei einem Höchstmaß an Sicherheit bis PLe/SIL3“, betont Mario Ober, der seitens der österreichischen Balluff-Niederlassung vor Ort verantwortlich war.


Seit Ende des vergangenen Jahres produziert der Mount Coffee Staudamm in Liberia wieder Strom vor allem für die Millionenstadt Monrovia. Für Berthold Wiesinger steht außer Frage, dass IO-Link sowohl bei Neubau- als auch Sanierungsprojekten verstärkt zum Einsatz kommen wird. Zumal immer mehr Anlagen in die Jahre kommen und moderne Steuerungs- und Elektronik-Konzepte verlangen werden.


Bewertung Ø:
   
Meine Bewertung:

Fragen und Kommentare (0)