LIC’s - Hybride Speicher
für mobile Traktionsanwendungen

LIC’s - Hybride Speicher für mobile Traktionsanwendungen
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01.09.2023 | Der folgenden Beitrag soll die Herkunft von Lithium Ionen Kondensatoren (LICs) aufzeigen und deren Vor- und Nachteile gegenüber Lithium Ionen Batterien beleuchten. Es liegt in der Natur dieser Systeme das auch klassische Superkondensatoren (EDLC’s) angsprochen werden.

Was verstehen wir grundsätzlich unter Hybriden?


Hybride entstehen in der biologischen Evolution durch Kreuzung verschiedener Gattungen. Die natürliche Evolution – oder auch der einflussnehmende Mensch – verfolgt das Ziel, die optimierten Eigenschaften der Elterngenerationen kombiniert der Nachfolgegenration weiterzugeben. Der Begriff „Hybride“ wird immer häufiger auch für Bauteile und Materialien verwendet.

Für LIC‘s (Lithium Ionen Kondensatoren), welche als eine Hybrid-Technologie entwickelt wurde, wären wünschenswerte optimierte Eigenschaften: hohe Energiedichte, hohe Leistungsdichte, geringer Leckstrom, geringes Gewicht, geringes Volumen, hohe Zyklenfestigkeit bei ewigem Leben, Bedenkenlosigkeit für Mensch und Umwelt. Des Weiteren massenproduktionstauglich und kommerziell sinnvoll.

Als „Elterngenrationen“ dienen zwei an und für sich bekannte, aber modifizierte Elektroden:

Einerseits die Aktivkohlen-Elektrode wie sie in Supercap’s verwendet wird, sowie andererseits eine dotierte Grafit Elektrode wie sie in Lithium Ionen Batterien zum Einsatz kommt.
 
Ein Separator aus porösem Papier oder Polymer trennt die beiden Elektroden und verhindert Kurzschlüsse während der Elektrolyt beide Elektroden benetzt um so einen Ionenaustausch sicherzustellen.

Es werden bekannte Elektrolyten verwendet, beispielsweise Ethylen oder Polycarbonat mit Lithiumhexaflurphosphat, einem idealen Salz (LiPF6) zur Ionenbildung. 
 
Als Bauformen wird auf die jahrzehntelange Erfahrung aus dem Bereich der Kondensatorproduktion zurückgegriffen. Zum Einsatz kommen radiale, Snap-In, und axiale Bauformen, sowie Pouch Zellen.

Grafit als Ektrodenmaterial ist unter anderem deshalb so interessant, weil deren Graphen-Strukturen sehr homogen geschichtet und orientiert sind und sich für diverse chemisch äussert stabile Materialmodifikation eignen. Deshalb wird Grafit auch als eines der Elektrodenmaterialien für Lithium Ionen Kondensatoren verwendet.


Neben der Dotierung mit Lithium Ionen könnten zusätzlich auch Übergangsmetalle eingesetzt werden, beispielsweise LiMnO2 oder LiTi5O12. Derartige Laborversuche haben jedoch in der Massenproduktion bis dato kaum Einzug gehalten.


Durch die Verwendung von Lithium-Ionen dotiertem Grafit steigt die Pseudokapazität und dadurch auch die Gesamtkapazität deutlich. Diese lässt sich durch Erhöhung der Schichtdicken noch weiter steigern – allerdings reduziert sich die Leistungsdichte durch eine dickere Schicht und steigendem ESR (Equivalent Serial Resistance). Hersteller variieren diese Schichtdicke gezielt um entweder größere Energie- oder Leistungsdichten zu erreichen.


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Systeme im Vergleich

Die zweite Elektrode, die Aktivkohlen Elektrode, ist bekannt aus reinen Supercap‘s oder präziser bezeichnet EDLC’s, (Electrostatic Double Layer Capacitors). 
Kapazitäts- aber auch kostentreibend sind Materialzumischung wie beispielsweise Grafit, Kohlenstoff-Nanotubes, hochleitfähige Polymere und prozesstechnische Massnahmen um eine möglichst homogene Porengrösse zu erreichen, welche auf die Ionengrösse abgestimmt ist.

Die speicherbare Energie im Kondensator steigt exponentiell zur Spannung. Im Vergleich zum Supercap profitiert das LIC System – bedingt durch die Potentialunterschiede der beiden Elektrodenmaterialien - von einem grösseren Spannungsfenster. 
Je nach Hersteller kann man Lithium Ionen Kondensatoren im Bereich von 2.2…bis 4V benutzen. Alleine dadurch - im Vergleich zum Supercap - steigt der mögliche Energieinhalt um Faktor zwei. Im Gegensatz zu EDLCs ist eine Tiefentladung zu vermeiden da der Lithium Ionen Kondensator irreversibel beschädigt wird und dabei Kapazität verliert. Das geschieht durch die Entladung der vordotierten Lithium Ionen.

 


Brandgefährlichkeit?


Wieso besteht bei Lithium Ionen Kondensatoren im Gegensatz zu Lithium Batterien kein Brandrisiko? –  trotz „Lithium“ - Bei Batterien/Akkumulatoren wird eine Lithium-Metall-Oxid Elektrode als zweite Elektrode eingesetzt. Wenn nun während des Betriebes Fehlerfälle wie eine Überhitzung durch von aussen zugeführten Hitze, durch Überladung, mechanische Beschädigungen, die einen Kurzschluss verursachen oder auch durch einen intern/chemisch verursachten Kurzschluss (Dendriten die den Separator durchwachsen):
Diese Fehlerfälle führen zu einer thermische Kettenreaktion, welche durch die eingesetzten Metalloxyde den Sauerstoff gleich mitliefern und Löschversuche erschweren.

Beim Lithium Ionen Kondensator hingegen haben wir nur kohlenstoffbasierende Elektroden ohne metallisches Lithium. Das in die Grafitelektrode eindotierte Lithium ist im Vergleich zu einer Lithium Batterie, des gleichen Volumens, nur im geringen einstelligen Prozentbereich vorhanden. Gleichzeitig werden auch keine seltenen Erden oder Übergangsmetalle mit Oxidanteilen verwendet wodurch Sicherheitstests, wie es die UL und anderen Institute durchführen, keinerlei Brandgefahr feststellen und somit auch keine diesbezügliche Transporteinschränkung notwendig sind. 
Aus diesem Grund sind Lithium Ionen Kondensatoren – bis hin zu grossen Modulen – viel einfacher/günstiger zu transportieren als Lithium Akkumulatoren/Batterien und stellen am Einsatzort auch unter Extrembedingungen kein Sicherheitsrisiko als Brandverursacher oder Brandbeschleuniger dar.

Warum aber erreichen wir ähnlich hohe Zyklenfestigkeit wie bei Superkondensatoren?
=> siehe auch "Grobvergleich von Schlüsselparametern" im Anhang.
Die Pseudokapazität resp. Faradaysche Ladung/Bindung der Grafit Elektrode basiert primär auf schwachen Van-der Waals Kräften: lediglich Elektronen der Ionen werden an der Elektrode adsorbiert; es gibt theoretisch keine chemische Verbindung. Diese Reaktionen sind damit eigentlich unendlich reversibel.


In der Realität sehen wir in Abhängigkeit und Art der Lade- und Entladevorgänge, der Umgebungs- und Hotspot Temperaturen allerdings degenerative Prozesse die zu chemischen Verbindungen führen, welche die ursprüngliche Kapazität verkleinern. Auch der ESR  wird, bedingt durch diese Veränderungen steigen, weil die Poren der Elektroden regelrecht verstopfen.
Weiter können wir bei der Graphitelektrode beobachten, dass eine Degradierung der Dotierung stattfindet, was insgesamt ebenfalls den Serie-Innenwiederstand ansteigen lässt, während die Kapazität abnimmt.

Die effektiven Leistungsmerkmale variieren je nach Hersteller und deren spezifischen Produkteigenschaften. Mögliche Lebenserwartungen sind in einem recht grossen Bereich durch beispielsweise folgende Faktoren beeinflussbar: Hersteller, Bauart, Aufbau des Systeminnern; Dimensionierung der Konfiguration (Serie- und Parallelschaltung zur Strom -und Spannungsaufteilung mit adäquatem Derating/Reduktion des Spannungshubs), Optimierung der Wärmeableitung,  Verbesserung der externen Temperatureinflüsse etc.


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Typische Einsatzgebiete


Heute findet man LICs in vielen früher durch Batterien dominierten Applikationen aber auch in Applikationen in der weder Batterien noch EDLCs sinnvoll nutzbar waren. Typische Applikationen sind Powertools, Roboter, USV, Smartmeters, e-Mobility, bis hin zu Grossspeichern für Industrie- und Wohnkomplexe als Notreserve und Reduktion der Spitzenlast (Peak Shaving).

 


Autor: Roland.Gruber@ineltro.ch (+41 43 343 73 35) beschäftigt sich seit rund 20 Jahren vor allem mit schnellen Speichertechnologien, seit 11 Jahren bei der Ineltro AG als technischer Kundenberater und Produkt Manager.
Dieser Artikel wurde geschrieben mit Unterstützung von Jianghai, basierend auf diversen Fach-Publikationen von Jianghai Europe sowie der besonderen Unterstützung durch deren Field Application Engineer Alexander Schedlock.


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