Jet-Ventilationssysteme für Tiefgaragen

Jet-Ventilationssysteme für Tiefgaragen
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19.01.2018 | Fahrzeugbrände in Tiefgaragen stellen ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Bei Fahrzeugbränden geht die eigentliche Gefahr von den hochgiftigen Rauchgasen aus. Über 90% aller Brandopfer kommen durch die Folgen des Rauchs und nicht durch das Feuer selbst um.

Jet-Ventilationssysteme sind dabei mittlerweile eine echte Alternative gegenüber den herkömmlichen Entrauchungs-systemen. Sie sorgen für eine besonders gleichmässige Verteilung und gute Vermischung im Entlüftungsbetrieb und durchspülen auch die sogenannten Tot-Ecken. Es entsteht eine annähernd raucharme Schicht, Flucht- und Rettungswege sind gut erkennbar und Personen können sich selbstständig retten.

Die Lüftung von Tiefgaragen und teilweise auch ihre Entrauchung werden nach den Normen des VKF und SWKI (/Ingenieurverfahren) geregelt. Aus gutem Grund, denn Fahrzeugbrände in Tiefgaragen sind häufiger als angenommen und stellen ein besonderes Sicherheits-risiko in den meist dicht besiedelten Innenstädten dar. Die nach den Normen geforderten Anlagen haben in erster Linie die Aufgabe, die Abgase der Fahrzeuge abzuführen und ausreichend Aussenluft zuzuführen. Die Bemessung erfolgt nach der SWKI-Richtlinie „SWKI VA103-01: Lüftung von Auto-Einstellhallen“.

Als weitere wichtige Aufgabe sind die Anlagen für die Abführung der Rauchgase im Brandfall zuständig. Herzstück einer solchen kanalgeführten Abluftanlage ist ein doppelstufiger Axialventilator, wobei der erste Ventilator meist den Lüftungsbetrieb abdeckt. Sollte es zu einem Brandereignis kommen, schaltet sich der zweite Axialventilator zu.
Die Ventilatoren sind Entrauchungsventilatoren mit einer Temperaturbeständigkeit von 400 °C/120 min, geprüft nach EN 12 101 Teil 3. Eine entsprechende CE-Zulassung ist nur in Verbindung mit einer bauaufsichtlichen Anwendungszulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt), Berlin, zulässig. Die Rauchgase werden von den Ventilatoren über oftmals komplexe Kanalsysteme aus den einzelnen Brandabschnitten innerhalb der Garage abgesaugt.
In den VKF-Normen sind die Grössen der einzelnen Brandabschnitte (2.400 m2 in unterirdischen Garagen) geregelt. Wenn man die Grösse der Brandabschnitte auf das Doppelte erhöhen will, muss man entweder entsprechende natürliche Öffnungen schaffen, eine Sprinkleranlage einbauen, oder eine maschinelle Rauchabzugsanlage (MRA) der Temperaturklasse F400 mit einem achtfachen Luftwechsel installieren.

Rauch, die tödliche Gefahr
Bei Fahrzeugbränden geht die eigentliche Gefahr von den hochgiftigen Rauchgasen aus. Nach nur drei Rauchgas-Atemzügen wird man bewusstlos, fünf Rauchgas-Atemzüge können einen Menschen töten.
Über 90% aller Brandopfer kommen durch die Folgen des Rauchs und nicht durch das Feuer selbst um.
In Tiefgaragen ist es durch die geringe Raumhöhe meist nur schwer möglich, eine Schichtung der Rauchgase zu erreichen. Die Brandgase steigen unter die Decke der Tiefgarage und breiten sich dort schnell in alle Richtungen aus.


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Brandverlauf, Schutzziele und Anlagenschaltung in einem Diagramm dargestellt
Rauch- und Temperaturentwicklung: Rauch strömt aus den Fluchtwegen und Zufahrtsrampen in die oberen Etagen, und die am Brandherd eintreffende Feuerwehr weiss nicht, ob sich überhaupt noch – und wenn ja, wie viele – Personen in den betroffen Bereichen aufhalten. Ohne Atemschutzgeräte ist ein Zutritt undenkbar. Der Brandherd selbst ist meist nur schwer zu lokalisieren.
Schutzziele beim Parkgaragenbetrieb: Der Personen- sowie der Sachschutz sind die wesentlichen Schutzziele beim Betrieb einer Parkgarage. Im Bereich des Personenschutzes stehen hierbei der Zeitgewinn zur Flucht und zur Selbstrettung sowie die Unterstützung des Feuerwehreinsatzes zur Brandortung und -bekämpfung im Vordergrund.
Wesentlich für den Sachschutz ist eine Verhinderung der Rauchausbreitung und des Feuerüberschlags zwischen Garage und Gebäude. Baurechtlich wird dies durch die Bildung von kurzen und mindestens zwei baulich voneinander getrennten Rettungswegen und baulichen Brandabschnitten mit entsprechenden F90-Toren bzw. -wänden geregelt.

Jet-Ventilatoren: Bessere Durchmischung = bessere Luftqualität
Jet-Ventilationssysteme sind mittlerweile eine echte Alternative gegenüber den „herkömmlichen“ Entrauchungssystemen. Jet-Ventilatoren sorgen durch eine Kombination aus Strahl- und Induktionswirkung für eine besonders gleichmässige Verteilung und gute Vermischung im Entlüftungsbetrieb und durchspülen auch die sogenannten Tot-Ecken.


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Entrauchungsleitungen innerhalb der Garage sind bei einem Jet-Ventilationssystem nicht erforderlich, können aber auch mit dem Jet-System kombiniert werden. Der notwendige Abluftvolumenstrom wird über gut verteilte Zentralschächte mit integrierten Entrauchungs-ventilatoren abgesaugt. Um in den Grenzen der jeweiligen Garagenverordnung zu bleiben, ist die Einhaltung der Grössen der einzelnen Brandabschnitts-flächen entscheidend.
Die sehr gute Durchmischung der CO-Gase mit ausreichend Frischluft erfolgt über die Jet-Ventilatoren. Eine ausreichende Nachströmung, z.B. über die Ein- und Ausfahrten oder über installierte Zuluftventilatoren ist für die Funktion und Qualität der Anlage von besonderer Bedeutung.
Im Brandfall steigt der Rauch durch die Thermik zunächst zur Garagendecke auf und verteilt sich dort gleichmässig. Sobald der Rauch von Rauchmeldern erkannt wird, schalten sich die Schachtventilatoren automatisch ein und saugen diesen idealerweise deckennahen Rauch ab. Es entsteht eine annähernd raucharme Schicht, Flucht- und Rettungswege sind gut erkennbar und Personen können sich selbstständig retten.

Nach drei bis fünf Minuten, abhängig von einer ereignisnahen Alarmierung und der Berechnung der Entfluchtungszeit, schaltet das System die Jet-Venti-latoren ein, denn die Schichtung wird dadurch aufgelöst.
Durch einen zusätzlichen Impuls werden alle vorher definierten Bereiche ausgespült und die Rauchgase in Richtung der Abluftschächte befördert.
Die relativ geringen Volumenströme, egal ob mit Jet-System oder mit einem kanalgeführten System nach Garagenverordnung, reichen nicht aus, um rauchfreie Bereiche oder eine Schichtung in einer Garage sicher zu stellen, wobei natürlich die Wirksamkeit des Systems nachgewiesen werden muss.

Rauchkontrolle
Damit eine Strömung innerhalb einer Tiefgarage gewährleistet werden kann, ist die Grösse des ab- und zuzuführenden Volumenstromes entscheidend. Die kritische Luftgeschwindigkeit über den Garagen-querschnitt ist Auslegungsgrundlage für das Rauch-kontrollsystem. In der Regel entspricht dies Abluft-volumenströmen von über 200.000 m3/h. Um eine möglichst grosse Fläche der Tiefgarage zu durchströmen, ist weiterhin die Platzierung der Ab- und Zuluft in dem Brandabschnitt von besonderer Bedeutung.

Erläuterung zum Grundprinzip
Die Jet-Ventilatoren spülen im Entrauchungsfall kritische Bereiche aus oder realisieren zuvor bestimmte raucharme Bereiche. Dabei kommt es nicht so sehr auf einen starken Schub an, sondern auf eine Unterstützung der auf-gebauten Grundströmung. Man spricht in diesen Fällen von einer Rauchkontrolle. Rauchkontrolle, umgesetzt durch eine entsprechend strömungstechnisch ausgefeilte Anlage bei gleichzeitiger Vergrösserung von Brand-abschnittsflächen, wird mittlerweile auch in Experten-kreisen als umsetzbar angesehen. Eine lufttechnische Inbetriebnahme mit entsprechenden Rauchversuchen sollte jedoch die ursprüngliche Planung entsprechend bestätigen.

Schaffung von raucharmen Korridoren
Es gibt Anlagen, in denen sogenannte Korridore für die Angriffswege der Feuerwehr geschaffen werden sollen. Dabei verfügen die Jet-Fans, oder auch sogenannte Radial-Jet-Fans, über einen extrem hohen Schub, in Einzelfällen bis zu 100 Nm. Ein grosser Schub führt jedoch in Wandbereichen zu Rückströmungen und dadurch möglicherweise sogar zu einer stärkeren Verrauchung der Garage. Ist der Abluftvolumenstrom der Entrauchungsanlage nicht gross genug, können die Rauchgase nur wieder in den Randzonen zurückströmen.

Jet-Ventilatorsystem contra Sprinkler
Die Frage, ob Sprinkler eine sinnvolle Ergänzung zu Jet-Ventilationssystemen sind, wird kontrovers diskutiert. Brände in Tiefgaragen sind zum überwiegenden Teil Fahrzeugbrände, die entweder in der Fahrgastzelle oder im Motorraum entstehen.
Eine Sprinkleranlage löst bei einer Nennauslöse-temperatur von ungefähr 68 °C – das entspricht einer Rauchgastemperatur von 140 bis 180 °C – unterhalb der Decke aus. Dabei ist die Platzierung der Sprinklerköpfe in Verbindung mit der Strahlwirkung der Jet-Ventilatoren entscheidend.
Untersuchungen zeigen, dass die Rauchgastemperaturen durch das Zuführen von grossen Luftmengen und die dadurch entstehende Durchmischung der Rauchgase herabgesetzt werden können. Löst der Sprinkler aus, wirkt die Karosserie des brennenden Autos zunächst wie ein Regenschirm. Die ohnehin schlechten Sicht-verhältnisse in der Garage können durch den entstehenden Wasserdampf zusätzlich eingeschränkt werden, die Luftströmungsgeschwindigkeit der Jet-Ventilatoren beeinträchtigt zudem den Wirkungsradius des Sprinklers.

Die Sprinklerung bewirkt letztlich eine Abkühlung und die Vermeidung eines Feuerüberschlags auf nebenstehende Autos: Bis zum Eintreffen der Feuerwehr begrenzen Sprinkleranlagen üblicherweise den Brand auf ein Fahrzeug, während ohne Sprinkler in der Regel bis zu drei Fahrzeuge brennen können – mit entsprechend hohen Brandlasten und Rauchentwicklung. Der Sprinkler ist daher für den Sachschutz und zur Verhinderung eines Feuerüberschlags in andere Bereiche in den Konzepten fest verankert.

Zusammenfassung
Wie das System in einer Garage aufgebaut sein sollte, muss auf jeden Fall individuell geklärt werden. Ein Konzept zur Entrauchung muss mit dem Fluchtkonzept und den Einsatzplänen der Feuerwehr abgestimmt sein.
Rauchfreie Bereiche, Absaugstellen und Steuerungen sind sehr komplex und müssen im Detail und im Hinblick auf ihre Betriebssicherheit besprochen werden.
Jet-Ventilationssysteme, die mit Rauchkontrolle eine Vergrösserung von Brandabschnitten zulassen, sind heute bereits Standard. Ob beim Einsatz eines Jet-Ventilations-systems der grosse Schub von Jet-Ventilatoren benötigt wird oder sogar auf eine Sprinkleranlage verzichtet werden kann, sollte durch weitere wissenschaftliche Untersuchungen evaluiert werden.
Bei der Rauchkontrolle, vor allem aber bei dem Verzicht auf eine Sprinkleranlage, ist auf jeden Fall ein entsprechendes Brandschutzgutachten auf Grund der Abweichung notwendig.
Sehr wichtig für das reibungsfreie Gelingen einer solchen Anlage ist es, dass das Jet-System nicht auseinander-gerissen wird und es zu einer Zerstückelung kommt. Es handelt sich hierbei, ähnlich wie bei einer RDA-Anlage, um ein Subsystem, bei dem gerade die Schnittstellen zwischen Ventilatoren, Auslösung, Schaltschränken und den darin enthaltenen Steuerungen das spätere Funktionieren und die Qualität der Anlage beeinflussen – abgesehen von eventuellen Haftungsfragen und der allgemeinen Verantwortung für den Betrieb des Systems.

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Rubriken: Lüftungstechnik

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