Heiss-Aktiv-Plasmatechnologie

Heiss-Aktiv-Plasmatechnologie
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14.10.2021 | Die Heiss-Aktiv-Plasmatechnologie ACERIOS entfernt partikuläre und filmische Verunreinigungen – sowohl von metallischen als auch nichtmetallischen Oberflächen. Der Automobilhersteller Audi setzt das Verfahren seit mittlerweile zwei Jahren bei dünnen Alu-Karosserieteilen ein: Dort, wo die Bleche für das Bolzenschweissen vorbereitet werden müssen, gelang es mit ACERIOS die anfallenden Reinigungskosten erheblich zu reduzieren. Gleichzeitig wurde die Ressourceneffizienz gesteigert.

„Der Ausfall einer Massebolzenverbindung kann im schlimmsten Fall zum Liegenbleiben eines Fahrzeugs führen“, sagt Dipl. Ing. Daniel Rudolph, verantwortlicher Technologieentwickler Fügen und Leichtbau bei der AUDI AG. „In der Audi A8 Produktion setzen wir zahlreiche Massebolzen, bei denen wir sicherstellen müssen, dass jeder einzelne perfekt verbunden ist. Um dem Qualitätsanspruch gerecht zu werden, betreiben wir hohen Aufwand.“ 

Denn die Qualität jeder Bolzenschweissung wird massgeblich durch die Eigenschaften der Oberfläche mitbestimmt. Verunreinigungen durch Ziehöle und Trockenschmierstoffe – wie sie in der Metallumformung eingesetzt werden – können zu Defekten in der Fügeverbindung führen.

Clean Flash scheitert an Blechstärke

In vielen Fällen lässt sich das Problem der Verunreinigung zwar mit dem Bolzenschweissgerät selbst lösen: Dazu wird dem eigentlichen Schweissvorgang ein Stromstoss (Clean Flash) vorgeschaltet, der die Schweissfläche reinigt. Bei unter 2 mm dünnen Aluminiumblechen ist dieser Ansatz allerdings nicht mehr praktikabel, da der Wärmeeintrag zu gross ist und das Blech beim Schweissvorgang durchbrennen würde. Ausserdem können bei diesem Verfahren unter anderem Poren auftreten, welche die Nahtqualität beeinträchtigen.

Ein derartiges Bauteil in der Audi-Produktion ist zum Beispiel die Stirnwand des Audi A8. Diese besteht aus einer Aluminiumblech-Legierung (6xxx) und ist an jenen Stellen, an denen Massebolzen geschweisst werden, nur 1,5 mm dick: „Das gesamte Bauteil musste in den ersten Jahren nach dem Serienstart aufwändig sowie kostenintensiv chemisch gereinigt und gebeizt werden“, erklärt Rudolph. „Erst dadurch konnten wir die geforderten 100 Prozent in der Qualität der Bolzenschweissverbindung auf jeden Fall garantieren.“

2017 stand bei Audi der Aufbau einer neuen Produktionsanlage für die mittlerweile fünfte A8-Generation an. Und der aufwändigen chemischen Reinigung wollte man seitens Audi Abhilfe schaffen. Eine mögliche Lösung sah man in der der Heiss-Aktiv-Plasmatechnologie  (HAP), mit der sich der langjährige Schweisstechnologielieferant und Entwicklungspartner Fronius bereits intensiv befasste. Auch Audi hatte den HAP-Ansatz bereits mit universitären Partnern verfolgt.

Da Rudolphs Aufgabengebiet auch die Evaluierung neuer Fertigungstechnologien sowie deren Weiterentwicklung bis zur Serienreife beinhaltet, kooperierten die Fügetechnikspezialisten von Audi und Fronius folglich intensiv. Dieser techn. Ansatz wurde dann gemeinsam zur Serienreife entwickelt und qualifiziert. Rudolph verdeutlicht: „Bei Fronius lag hauptsächlich die Entwicklungsarbeit der Prozess- und Anlagentechnik. In unserer Produktion fanden dann anwendungsbezogene Funktionsversuche, Parametertests, Standzeittests und Funktionstests statt. Auch beschäftigten wir uns mit der Frage, wie sich die Nutzung der Technologie auf die weitere Prozessketten wie Fügen, Festigkeit, Lackanhaftung und vieles mehr auswirkt.“


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„Der Ausfall einer Massebolzenverbindung kann im schlimmsten Fall zum Liegenbleiben eines Fahrzeugs führen“, sagt Dipl. Ing. Daniel Rudolph, verantwortlicher Technologieentwickler Fügen und Leichtbau bei der AUDI AG. Partielle Reinigung mit Plasma als Lösung

Die Vorteile der Behandlung von Oberflächen mit der Heiss-Aktiv-Plasmatechnologie (HAP) ACERIOS von Fronius sind vielfältig. Mittels Schutzgasstrom wird das Lichtbogen-Plasma zur Flamme geformt, die im Kern Temperaturen von bis zu 1.000° Celsius erreicht. Dadurch ausgelöste thermische und chemische Prozesse sorgen dafür, dass Materialoberflächen partiell und punktgenau von organischen Rückständen und filmischen Verschmutzungen befreit werden. Gleichzeitig wird die Oberfläche aktiviert. Da der Lichtbogen bei ACERIOS zwischen Plasmadüse und Wolframelektrode des Brenners entsteht, ist eine Masseverbindung zum Werkstück nicht erforderlich. Entsprechend lassen sich auch nicht-metallische Materialien mit Heiss-Aktiv-Plasma reinigen. 

„Wir haben ACERIOS – wie alle von uns enger in Betracht gezogenen neuen Technologien – auf seine Tauglichkeit geprüft und Einflussgrössen sowie mögliche Parameterfenster ermittelt. Zusammen mit Fronius haben wir den Prototypen dann schnell und zielführend für den Serieneinsatz optimiert“, sagt Rudolph. „Anschliessend machten sich unsere Anlagenplaner und die Kollegen aus der Fertigung daran, eine günstige Einbausituation zu identifizieren.“

Die Verantwortlichen der A8-Linie entschieden sich schliesslich für den Einsatz von ACERIOS in einer Roboterzelle, die genügend freie Nebenzeiten für die Reinigung von zwei Bereichen – mit einer Fläche von je 12 cm² – aufwies. „Deshalb reichte die verfügbare Zeit sogar dafür aus, die Brenndauer von ACERIOS auf sechs Sekunden pro Schweisspunkt zu erhöhen: Infolge beträgt der Abstand des Brenners zum Werkstück 30 mm. Und den Strom können wir dann ohne Einbussen in der Reinigungswirkung auf 120 A absenken“, ergänzt Jürgen Kolbenschlag, Schweissexperte aus dem A8 Karosseriebau. 

„Damit schonen wir die Verschleissteile“, die anfänglich von Audi nach 10.000 Reinigungspunkten gewechselt wurden. Es zeigte sich, dass die Verschleissgrenzen noch lange nicht erreicht waren. Der turnusmässige Tausch wurde daher laufend verlängert. Und zur Mitte des Jahres 2021 war die Verschleissteilgrenze noch immer nicht erreicht – trotz 25.000 gesetzter Reinigungspunkte.

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