Gezielt optimieren statt viel
investieren – Abwasserkosten im Griff

Gezielt optimieren statt viel investieren – Abwasserkosten im Griff
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Mit Online-Messtechnik und Automatisierung können moderne Neutralisationsanlagen kostengünstig und platzsparend betrieben werden.
12.02.2019 | Die Kapazität der Abwasservorbehandlung steigern, ohne die Anlage physisch zu vergrössern – was illusorisch klingt ist tatsächlich möglich: Der Schlüssel zu einer effizienten und sicheren Abwasseraufbereitung heisst „Information“.

Die Produktion von Lebensmitteln und die Behandlung von belasteten Abwässern sind verfahrenstechnische Prozesse mit komplett unterschiedlichen Anforderungen und Rahmenbedingungen – und doch gehören beide Themen unter ein und dasselbe Dach: Wo Lebensmittel produziert werden, fallen auch Abwässer an. Schwach belastete Abwässer (beispielsweise Spülwasser) können ohne weitere Aufbereitung direkt in die Kanalisation eingeleitet werden. Saure und basische Abwässer hingegen müssen neutralisiert -, mit Organik hochbelastete Abwässer sogar oft teuer entsorgt werden.

Im Fokus der Behörden
Auch wenn die Notwendigkeit der Abwasservorbehandlung durch die Betriebe nicht in Frage gestellt wird, ist es letztlich doch eine lästige Pflicht – die Kernkompetenz liegt in der Herstellung eines hochwertigen Produktes zum Verkauf an die Konsumenten. Verständlich, fristet die Abwasservorbehandlungsanlage (AVA) ein Schattendasein im Keller. Das Abwasser rutscht in der Prioritätenliste häufig erst dann nach oben, wenn die kantonalen Behörden wiederholt Verletzungen der Einleitbedingungen feststellen – typischerweise aufgrund von kurzfristigen Überlastungen der Anlage.
 
Heisst „Mehr“ immer auch „Grösser“?
Ein Ausbau der Anlage mit zusätzlichem Beckenvolumen scheint unumgänglich. Unter Umständen muss wegen einer erwarteten Produktionssteigerung in der Zukunft Raum für einen weiteren Ausbau der Anlage eingeplant werden. Die Investitionen bewegen sich schnell im höheren sechsstelligen Bereich und können rasant weiter ansteigen, wenn wegen des Platzbedarfes zusätzliche Gebäude errichtet werden müssen.
Trotz hoher Investitionen stellt kaum jemand die Frage: Geht eine Erhöhung der Aufbereitungskapazität zwingend mit einer physischen Vergrösserung der Anlage einher?
 
Effizienter, kleiner, günstiger
Der technologische Fortschritt macht sich auch in der Abwasservorbehandlung bemerkbar: Digitalisierung und dynamische Regelkonzepte haben auch in der Umwelttechnik Einzug gehalten. Moderne Anlagen weisen darum eine bessere Effizienz gegenüber veralteten Konzepten auf: Es ist eine höhere Reinigungsleistung bei kleinerem Platzbedarf möglich; und dies alles bei geringeren Betriebskosten und tieferem Energieverbrauch. Das ist nicht gratis, die allgemein anerkannte Währung für gezielte Investitionen heisst „Information“.
 
Christoph Kolumbus und das Abwasser
Schon der Entdecker Christoph Kolumbus wusste: „Zuverlässige Informationen sind unbedingt nötig für das Gelingen eines Unternehmens.“ Es lohnt sich schon bei Betrieben mittlerer Grösse, den aktuellen Zustand in einem Vorprojekt genau zu analysieren, bevor viel Geld in Beton investiert wird. Häufig offenbaren sich auslegungsrelevante Belastungsspitzen erst durch eine Analyse der bestehenden Daten und einer gezielten Messkampagne: Das Abwasser fällt schliesslich nicht in gleichmässiger Menge und in gleichbleibender Zusammensetzung über 24 Stunden an.
 
Entlastung der Anlage und des Geldbeutels
Ein grosser Teil des Abwassers ist meist nur schwach belastet und kann ohne Behandlung direkt in die Kanalisation eingeleitet werden. Da eröffnet sich mehrfaches Einsparpotential: Einerseits können die Investitionskosten tief gehalten werden, da Beckenvolumen eingespart wird – andererseits fallen Betriebskosten und Energieverbrauch tiefer aus, da die Aufbereitungsanlage nicht unnötig belastet wird.
Für die hydraulische Auslegung und die Steuerung der Anlage ist es entscheidend, wieviel schwach belastetes Abwasser anfällt und woher es kommt. So kann mit einer zusätzlichen Messstelle zur Triage viel Beckenvolumen eingespart werden.
 
Geruchsbelästigung wegen Fehlplanung
Entgegen der Erwartungen muss eine Erhöhung der Aufbereitungskapazität also nicht zwingend mit einer physischen Vergrösserung der Anlage erreicht werden. Weiteres Optimierungspotential liegt bei der Neutralisierung der basischen und sauren Abwässer. Neutralisationsanlagen älterer Bauart sind gemeinhin für den Batchbetrieb ausgelegt, die Durchmischung erfolgt über Pumpen. Aufgrund grosser Beckenvolumina steigt die Aufenthaltsdauer bei schwacher Auslastung stark an, einsetzende Gärprozesse können dann zu beträchtlichen Geruchsemissionen führen.
 
Gerührt statt geschüttelt
Eine Kombination von Batch- und Durchlaufverfahren in Zusammenhang mit einer dynamischen Regelung ermöglicht die sichere und effiziente Nutzung eines kleinen Volumens: Die sauren und basischen Abwässer aus den Reinigungsprozessen werden getrennt in Puffertanks gesammelt und gezielt der Durchlaufneutralisation zugeführt. Dort sorgt ein Rührwerk für eine rasche Umwälzung und schnelle Reaktion des belasteten Abwassers mit den Chemikalien.
 
Schneller mit weniger Energieverbrauch
Eine schnelle Durchmischung im Zusammenspiel mit einer genauen pH-Messung ermöglicht die exakte Dosierung an Betriebsmitteln: Es wird nur so viel Säure oder Lauge zugeführt wie notwendig – ein „Überschiessen“ wird verhindert. Der Verzicht von Pumpen für die Durchmischung schlägt sich positiv auf den Energieverbrauch nieder. Der Betrieb der Anlage wird so, dank Energieeinsparungen und geringerem Chemikalienverbrauch, günstiger.
Für die hydraulische Auslegung der Becken, die Auslegung der Rührwerke und die Steuerung der Neutralisationsanlage ist es entscheidend zu wissen, wie gross die Belastungsspitzen von saurem und basischem Abwasser sind und in welcher zeitlichen Abfolge diese anfallen.
 
Entsorgungskosten zulasten des Gewinnes
Je nach Grösse des Produktionsbetriebes und der Auslastung der kommunalen Kläranlage ist die Einleitung von organisch belasteten Abwässern durch die Behörden auf ein bestimmtes Zeitfenster beschränkt, oder wird dem Produktionsbetrieb zusätzlich in Rechnung gestellt („CSB-Fracht“). Wird organisch belastetes Abwasser zurückgehalten und in Absprache mit den Behörden gezielt eingeleitet oder separat entsorgt, ist dies mit hohen Investitions- und Betriebskosten verbunden. Diese Kosten gehen direkt zulasten des Unternehmensgewinnes.
 
Vom Abwasser in die Produktion
Das Volumen und die Kosten können dann klein gehalten werden, wenn nur hochkonzentrierte Abwässer zurückgehalten werden – zur gezielten Triage wird hier eine Online-Messung der CSB-Konzentration benötigt. Anhand eines Vorprojektes lässt sich entscheiden, ob sich eine Online-Überwachung der CSB-Konzentration lohnt und wo die Messstelle angebracht werden soll. Ein erwünschter Nebeneffekt der Messung ist, dass sich damit auch ungewollte Produktverluste detektieren lassen. So lässt sich durch die Überwachung des Abwassers der Reinigungs- und Spülprozess optimieren.
 
Mehr Sicherheit dank Digitalisierung
Genaue Daten bilden eine wichtige Grundlage für die Planung einer neuen AVA; der sichere und sparsame Betrieb basiert auf genauen Messwerten in Echtzeit. Hochentwickelte Messsysteme verfügen über vielfältige Selbstdiagnosefunktionen. Führte beispielsweise ein Kabeldefekt bei analogen pH-Messungen zu einem fehlerhaften Messwert um pH 7 (entsprechend dem Rohsignal von 0mV), erkennt das digitale System von Endress+Hauser (Memosens) den Defekt und gibt eine Fehlermeldung aus. Probleme werden sofort erkannt, eine Verletzung der Einleitbedingungen kann so ausgeschlossen werden.
 
Effizienz dank Echtzeitinformation
Online-Analytik ist auch heute noch auf eine regelmässige Wartung angewiesen. Dank vereinfachter Funktionen und unterstützenden Apps auf dem Smartphone ist die Betreuung der Messstellen heute einfacher. Genaue und robuste Messgeräte helfen bei der Auslegung der Anlage und ermöglichen einen zuverlässigen Betrieb der Abwasservorbehandlung. Die gewonnenen Daten können zusätzlich für Optimierungen in vorgeschalteten Prozessen wie der Reinigung der Produktionsanlagen verwendet werden.

Autor: Stefan Vogel, Endress+Hauser (Schweiz) AG

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