Eine Wiederverwendung nach einem Betriebseinsatz ist aus folgenden Gründen nicht zu empfehlen:
In der Verbindungstechnik beziehen sich normative Verweise ausschliesslich auf neuwertige Schraubenelemente. Die Einhaltung einer Normforderung ist im Allgemeinen nicht zwingend vorgeschrieben.
Normen sind unverbindliche Empfehlungen, deren Anwendung erst durch dessen Referenzierung in Spezifikationen einen verbindlichen Charakter erhalten.
Die Einhaltung grundlegender Sicherheitsanforderungen können dabei durch technische Normen anlässlich der Bestellung konkretisiert werden. Dabei kommt der Stand der Technik zur Zeit der Inverkehrbringung und Einsatz für eine bestimmte Anwendung zum Tragen.
Die Anwendung einer spezifizierten Norm stützt eine Vermutungswirkung für eine Konformität (z.B. CE-Kennzeichnung). Wo keine relevanten Normen vorliegen oder herangezogen werden können, müssen Verfahren nach anerkannten Regeln der Technik angewendet werden. Bei einer Wiederverwendung von gebrauchten Schraubenelementen obliegt demnach die Beurteilung der praktischen Eignung dem Anwender oder dem Wartungspersonal. Meist wird der Austausch seitens
Hersteller in den Betriebsanleitungen vorgeschrieben. Im Sinne eines „Stand der Technik“ ist auch die Beobachtung und der Austausch von sicherheitsrelevanten Verbindungselementen bekannt, der die langjährige Praxis darstellt und für eine betriebssichere Verbindung eine Voraussetzung darstellt.
Weiter sind die Pflichten für das Inverkehrbringen von Produkten zu beachten. Dabei müssen die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllt bleiben und neben dem Stand des Wissens*) und der Technik auch die Beurteilung und Verfolgung spezifischer Gefährdungspotenziale eines Produkts (Verbindungsstellen) berücksichtigt werden.
*) Gefestigtes, verfügbares Wissen zum Zeitpunkt der Inverkehrbringung (Schraubenmontage), das in der Umsetzung oder kurz vor der Umsetzung steht.
FAZIT
Aus Sicht der Anforderung an eine klare Zuordnung der zugehörigen Spezifikationen mit der Kennzeichnung und Einhaltung aller relevanten Randbedingungen ist von einer Wiederverwendung der bereits eingesetzten Verbindungselemente abzusehen.
a. Montagesicherheit – Reibwerteinfluss
b. Korrosionsschutz – visueller Zustand
c. Qualität der Oberflächenbehandlung Demontagefähigkeit
d. Dauerhaltbarkeit – Oberflächenbeschädigungen
e. Wirtschaftliche Produktion – Montageaufwand
a) Montagesicherheit – Reibwerteinfluss
Die Sicherheit der Verbindung wird massgebend von der Montagevorspannung bestimmt. Die Montage erfolgt anhand der Montagevorgaben und der tribologischen Randbedingungen. Die Montagevorspannkraft wird während des Montageprozesses durch die Reibwirkung der Gewindepaarung und der Auflageflächen (Verbindungselement–Bauteil) stark beeinflusst. Der Montagewirkungsgrad beläuft sich gerade einmal auf ca. 10 bis 20%!
Damit wird klar, dass die zu erreichende Vorspannung nach der Auslegungsrechnung nur mit definierten Reibbeiwerten erreicht werden kann. Eine prozesssichere Montage sollte zusätzlich die Streuung der Reibwirkungen klein halten. Die Praxis verlangt demnach für sicherheitsbestimmende Verbindungen eine definierte Schmierung. Sogenannte „Anti-Friction Coating“ Lösungen ermöglichen einen nachvollziehbaren Schmierzustand und optimieren die tribologischen Randbedingungen.
FAZIT
Die Vorteile einer tribologischen Beschichtung direkt auf den Verbindungselementen begünstigen die geforderte Montagesicherheit mit definiertem Montagefenster für die zu erreichende Vorspannkraft.
Damit die Montagesicherheit auch bei einer erneuten Montage von Austauschkomponenten gewährt bleibt, sind neuwertige beschichtete Schraubenelemente vorzusehen.
DIE LÖSUNG: BOSSARD ECOSYN ® -LUBRIC
Die tribologische Trockenbeschichtung ist eine Systemlösung für mechanisch belastete Befestigungselemente (Schrauben, Muttern, Scheiben). Die Beschichtung ist ein nicht elektrolytisch aufgebrachter, dünnschichtiger Überzug mit integrierten Schmiereigenschaften und einem zusätzlichen Korrosionsschutz. Die Beschichtung besteht aus einer Komposition mit Fluorpolymeren und organischen Festschmierstoffteilchen, die in spezifisch ausgewählten Kunstharz- und Lösungsmitteln dispergiert sind. Die sogenannte AF-Beschichtung (Anti-Friction Coating) bildet einen glatten Film, der alle Unebenheiten der Oberfläche ausgleicht und dadurch die Reibung selbst bei extremen Belastungen und Arbeitsbedingungen optimiert. Das Kunstharz wiederum gewährt einen verbesserten Korrosionsschutz.
DIE VORTEILE EINER TRIBOLOGISCHEN TROCKENBESCHICHTUNG
- Hervorragende Reibwerte mit kleiner Streuung als Grundlage für jede Schraubverbindung
- Saubere und umweltschonende Beschichtung mit einem einfachen Handling
- Hohe Montagesicherheit in Herstellung und Wartung
- Wirtschaftliche Montage, Demontage mit Reduktion der Prozesskosten bei einer ganzheitlichen Aufwandbetrachtung
b) Korrosionsschutz – visueller Zustand
Oberflächenüberzüge auf Verbindungselementen haben sowohl eine Schutzfunktion als auch eine spezifische tribologische Oberflächeneigenschaft. Meist werden durch zusätzliche TopCoats aus einer Komposition mit Fluorpolymeren (z.B. PTFE) die Gleiteigenschaften verbessert und ermöglichen eine Erhöhung der Montagevorspannung bei der Erstmontage.
Im Neuzustand können Verbindungselemente mit definierten Oberflächenüberzügen eine reproduzierbare Vorspannung und Schutzwirkung ermöglichen. Die Praxis belegt eine genügend genaue Wiederholgenauigkeit für max. 5 Werksmontagen. Die jeweilige Akzeptanz für eine zulässige Streuung (Abweichung der Montagevorspannung) ist von der Schraubenauslegung und dem Einsatzzweck der Verbindung abhängig.
Wenn nun Schraubenverbindungen bereits im Einsatz sind und die Betriebsbedingungen auf die Oberflächen einwirken, verändern sich die tribologischen Bedingungen. Mit zunehmenden Wiederholmontagen
und steigender Betriebseinsatzzeit ist mit einer Reduktion des Korrosionsschutzes zu rechnen und damit auch mit einer Veränderung der Reibwerte. Man spricht in der Praxis auch von einer Funktionsminderung über der Zeit, die mit unseren Umgebungsbedingungen im industriellen Bereich begründet werden kann. So kann der Oberflächenüberzug durch aggressive Medien vorzeitig angegriffen werden und/oder er wird durch chemische Vorgänge abgebaut. Diese Spuren können visuell festgestellt werden (Rotrost) und führen je nach Beurteilungsstandpunkt zu spezifischen Interpretationen. Die Aspekte an ein Design oder Aussehen können schon während der Gewährleistungsphase zu Reklamationen führen, wenn der Schutzgrad schneller als erwartet verloren geht.
FAZIT
Da die Oberflächenüberzüge im Betriebseinsatz einem Funktionsabbau unterworfen sind, sind die Farbgebung, das Aussehen und je nach eingesetztem Schraubenwerkstoff das Restrisiko eines Versagens ein Anlass für den Austausch. Eine geplante Beobachtung und wiederkehrende Kontrolle (Beurteilung) für sicherheitsrelevante Schraubenverbindungen ist zu empfehlen.
c) Qualität der Oberflächenbehandlung – Demontagefähigkeit
Der vorgesehene Oberflächenüberzug und/oder die weitere Beschichtung (TopCoats) optimieren meist eine spezifische Funktion. Neben den Schutzeigenschaften, dem Reibverhalten und dem Designanspruch kann auch anlässlich einer Wartung die Demontage im Fokus stehen.
Speziell bei Anlagen für die Versorgung und den Transport (Energieerzeugung, Verkehrsmittel) steht die Versorgungssicherheit oder die Verfügbarkeit der Maschinen und Anlagen im Vordergrund. Damit ist analog der Montage mit gesicherten Vorspannkräften die einfache Demontage für eine effiziente Wartungsarbeit wichtig. Lassen sich zum Beispiel Schraubverbindungen aus nichtrostenden Stählen nicht mehr lösen, spricht man vom “Fressen“ der Verbindung – auch Kaltverschweissung genannt. Ursache des “Fressens“: Wenn gemeinsame Berührungsflächen einer Verbindung (Gewindeflanken) in den Grenzfall der Haft-Reibung gelangen, entsteht ein mechanischer Widerstand (zu hohe Reibung), der eine Bewegung der aufeinanderliegenden Teilen verhindert.
MEHRERE FAKTOREN BEGÜNSTIGEN DAS FRESSEN
- Überbeanspruchung: zu hohe Verspannung, zu hohes Anziehmoment führen zur plastischen Verformung im Gewinde
- Hohe Montagedrehzahlen: Montage mit pneumatischen Schlagschraubern
- Hohe Oberflächen-Rauheit: Unsauber geschnittene Gewinde/Riefen
- Verunreinigungen: z.B. Späne, Schmutzpartikel, Sand im Gewinde
- Formfehler: z.B. Steigungsversatz, Toleranzabweichungen im Gewinde
- Montageprozess unter zusätzlicher Druck- oder Zugbelastung: Zusammenziehen nicht dichtender Flansche mit weichem Dichtungsmaterial
- Montage von Muttern mit Sicherungssystem: Klemmmuttern oder Muttern mit Polyamideinlage erzeugen meist eine koaxiale Auslenkung mit daraus folgendem partiellem Flankendruck im Gewinde
FAZIT
Es ist davon auszugehen, dass der Konstrukteur die Auslegung der Verbindung unter den Aspekten der relevanten Betriebsphasen erstellt hat. Der Nachweis der notwendigen Sicherheit der Erzeugnisse mit dem Aufrechterhalten der Funktionen und der Berücksichtigung allfälliger Wartungsarbeiten ist dabei ein Bestandteil der Betriebsanleitung. Die Ersatz- und Austauschteile (auch Schraubenelemente) sind zu spezifizieren und deren Austausch mit der Montage/Demontage zu beschreiben (Montageanleitung).
Um eine Kaltverschweissung zu verhindern und eine ordnungsgemässe Montage zu gewährleisten, ist die Definition der Oberflächenbeschichtung und des Schmierzustandes entscheidend. Der Austausch der Schraubenelemente mit deren Schmierung ist daher dringend zu empfehlen. Eine fachgerechte Montage setzt daher in der Praxis neuwertige Verbindungselemente mit definierten Montagevorgaben voraus.
d) Dauerhaltbarkeit – Oberflächenbeschädigungen
Hochbeanspruchte Verbindungen setzen eine entsprechende Vorspannung im Schraubensystem während des Betriebs voraus. Sowohl mögliche Setzerscheinungen als auch dynamische Beanspruchungsverhältnisse können die Dauerhaltbarkeit beeinflussen. Weiter ist der Oberflächenzustand der dynamisch belasteten Schraubenelemente von ausschlaggebender Bedeutung. So sind Oberflächenbeschädigungen durch die Herstellung oder durch äussere Betriebseinflüsse zu vermeiden.
Eine industrielle Fertigung und Montage basiert meist auf einem Qualitätsmanagement nach der internationalen Norm ISO 9001. Für die Sicherheit der Verbindungstechnik ist eine entsprechende Prüfplanung sowohl für die Herstellung, die Montage, als auch für den Betriebseinsatz vorzusehen. Obwohl jedes Verbindungselement alle Anforderungen der entsprechenden Produktnorm oder Spezifikation erfüllen sollte, ist dies in der Massenfertigung nicht immer möglich. Im Sinne der ISO 3269 ist darum festzuhalten, dass eine so durchgeführte Qualitätsprüfung nicht mit Sicherheit nachweisen kann, dass keine fehlerhaften Teile im Herstellungslos vorhanden sind.
Meist sind die Ursachen für Störungen in Herstellung, Betrieb, Wartung und Instandsetzung eine Kombination von auslösenden Faktoren. Dabei zeigt die Erfahrung vor allem eine Abhängigkeit der spezifizierten Schraubenelementen, der Bauteilpaarung und der eingesetzten Montageverfahren. Die Kenntnis der verschiedenen Verschraubungsparameter und Fachkenntnisse in Konstruktion und Montage sind dabei eine Voraussetzung für die Sicherheit der Verbindung.
FAZIT
Die Funktionserfüllung der Schraubenelemente geht dabei vor der „Schönheit“ der Verbindungselemente. Oberflächenfehler im Sinne der ISO 6157-1 und ISO 6157-2 sind dabei jeweils zu beurteilen.
Der Einsatz der Verbindungselemente ist unter den festgestellten Umständen entsprechend freizugeben. Eine Wiederverwendung von gebrauchten Schraubenelementen muss daher analog von neu produzierten jeweils für den Wiedereinbau neu beurteilt und verantwortet werden. Die Verbindlichkeit einer Freigabe liegt demnach beim Inverkehrbringer oder in analoger Weise beim zuständigen Wartungsbetrieb für die Umsetzung von Austauscharbeiten.
Aus den genannten Bedingungen ist die Verwendung von neuwertigen Verbindungselementen im Sinne der ursprünglichen Spezifikation klar zu empfehlen.
e) Wirtschaftliche Produktion – Montageaufwand
Die Ansprüche an ein wirtschaftliches Produzieren wachsen. Es gilt unter ungünstigen Marktauflagen und kürzer werdenden Entwicklungszeiten konkurrenzfähig zu bleiben. Zusätzliche ökologische Aspekte prägen das künftige Montieren von Verbindungslösungen. Mit einem schlanken Ressourceneinsatz und daher tieferen Produktionskosten gilt es den Kundennutzen zu maximieren.
Die Kundenzufriedenheit kann weiter gefördert werden, wenn alle Qualitätsforderungen auch wirklich eingehalten werden. Es kann vorkommen, dass dazu auch der Kunde gewisse Verpflichtungen einzugehen hat.
Trotz der meist umfangreichen Dokumentationen und Nachweisen kann es zu Kundenreklamationen kommen. Die Unzufriedenheit kann sich nun auf die Vertriebsleistung, die Logistikleistung, die Zusammenarbeit / Kommunikation oder auf die Produktqualität beziehen. Die Praxis zeigt, dass meist eine Kombination von Ursachen zu einer nicht akzeptierten Abweichung führen. So sind die Bauteilgestaltung, das Montageverfahren und die Schraubenauslegung mit den Einsatzbedingungen wichtige Voraussetzungen für eine bestimmungsgemässe Anwendung.
Eine Montageprozessfähigkeit ist demnach eine wichtige Voraussetzung, um die Montagedurchlaufzeit klein zu halten. Qualitätsabweichungen oder gar fehlende Teile führen in der Montagepraxis oft zu ungeplanten Stillständen. Dies gilt es mittels den richtigen Verschraubungselementen und den entsprechenden Montagevorgaben zu verhindern. Eine hohe Prozessfähigkeit heisst demnach die Entscheide gemäss den Erwartungen richtig umsetzen zu können.
FAZIT
Eine wirtschaftliche Montage beruht auf einfachen Montageprozessen mit den richtigen Montagemitteln. Die Schraubenelemente mit ihren tribologischen Eigenschaften setzen dabei wichtige Parameter für das Erreichen der geforderten Montagevorspannung. Im Sinne der LEAN-Grundsätze sind die wertschöpfenden Schritte zu verbessern und nicht wertschöpfende Tätigkeiten wie z.B. das „Nass-Schmieren“ durch tribologische Trockenbeschichtungen zu ersetzen.
Die Ausgangslage für den Monteur ist daher eine neuwertige Schraube mit der spezifizierter Oberflächenbehandlung und ggf. einem „TopCoat“ für den entsprechenden Schmierzustand. Eine gebrauchte Schraube mit den betrieblichen Umwelteinwirkungen hat nicht mehr den Ausgangszustand anlässlich der ersten Werksmontage und muss daher ersetzt werden.
Sicherheitsbestimmende Verbindungen sind daher immer mit neuwertigen Schraubenelementen zu versehen und ggf. mittels Ihrer Etikettenzuordnung zu dokumentieren (Herstellungslos).