Den 3D-Blick auf den Mars

Den 3D-Blick auf den Mars
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26.05.2018 | 2020 ist das Jahr für die nächste Rover-Expedition auf den Mars. Die Hauptnutzlast der russischen Proton-Rakete: Der von den europäischen und russischen Weltraumorganisationen (ESA & Roskosmos) entwickelte ExoMars Rover. Das Fahrzeug ist beim geplanten Start mit neun Messgeräten ausgestattet. Eines davon wird nach der Landung auf dem Rover an einem zwei Meter langen Mast hängen.

Die Ansprüche an Technik, die im Weltraum eingesetzt wird, sind hoch und die Umgebungsbedingungen auf dem Mars fordern den am ExoMars Rover eingesetzten Komponenten Höchstleistung ab. Zum einen arbeitet der Rover nach der Landung bei einem Luftdruck von nur 0,00636 Bar, was auf der Erde dem atmosphärischen Druck in 35 Kilometern Höhe entspricht. Gleichzeitig schwanken die Temperaturen zwischen etwa +20 °C und -120 °C. Hinzu kommen Beeinträchtigungen durch den Staub, den der Rover beim Fahren und bei geologischen Bohrungen aufwirbelt. Die Panoramakamera, die vom Mullard Space Science Laboratory (MSSL-UCL, südlich von London) in Zusammenarbeit mit der OHB System AG (München), dem Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR, Berlin) und Thales Alenia Space (TAS-CH, Zürich) entwickelt wurde, ist deshalb an einem zwei Meter hohen Mast und damit deutlich über dem Boden montiert (1). „Wir schützen so die Optik vor Staub und können von der erhöhten Position zudem wesentlich bessere Panoramabilder aufnehmen“, erklärt Jonathan Jones, Ingenieur für Mechanik und Thermodynamik bei MSSL.
 

Schrittmotoren für Objektivfilter und Fokusverstellung

 

Mit den vor den Weitwinkelkameras liegenden Objektivfiltern hat MSSL ein System geschaffen, das während der für 2020 geplanten Mission Aufnahmen mit unterschiedlicher Polarisation und damit Bilder mit variierenden Inhalten erzeugt. „Geplant ist, täglich zehn Bilder zur Erde zu schicken“, fährt Jones fort. Was auf den ersten Blick recht wenig klingt, entpuppt sich in der Praxis durchaus als anspruchsvoll: Zunächst erstellt die Kamera für jedes Bild drei Aufnahmen. Diese werden dann jeweils zur Erde geschickt und dort für das endgültige Bild übereinandergelegt. Mehr als zehn Bilder pro Tag sind aufgrund der geringen Datenbandbreite der Funkkommunikation zwischen den Mars und Erde nicht möglich. Jedes Funksignal zwischen den benachbarten Planeten ist zudem ungefähr 20 Minuten unterwegs.

 

Elf Objektivfilter pro Rad ermöglichen es den PanCam-Weitwinkelkameras unterschiedliche Aufnahmen mit veränderten Polarisationen zu machen. Die Filterräder rotieren und müssen für scharfe Bilder exakt in Position gebracht werden. Als Antrieb setzt MSSL an jeder Achse einen Schrittmotor aus dem PRECIstep Schrittmotor-Portfolio von FAULHABER ein. Für diese Wahl sprachen gleich mehrere Gründe: Die MSSL-Ingenieure waren bei der Entwicklung der Panoramakamera auf der Suche nach Motoren, die unter Marsbedingungen verlässlich und präzise positionieren und dazu auch noch sehr klein bauen. Schrittmotoren empfehlen sich für diese außergewöhnliche Applikation außerdem, weil sie ohne Positionsrückmeldung je nach Ausführung mit einer Auflösung von bis zu 1280 Schritten pro Umdrehung genau positionieren und in der Handhabung deutlich einfacher und robuster sind als klassische Servomotoren.

 

Auch der Fokussiermechanismus der hochauflösenden Kamera wird deshalb von einem solchen PRECIstep Schrittmotor angetrieben. Der Rotor besteht aus einem Kunststoffträger für 10 bis 12 magnetische Polpaare, je nach Motorausführung. Das große Magnetvolumen garantiert ein hohes Drehmoment. Der Motor folgt exakt dem außen angelegten Feld, ohne dass er dafür aufwändig geregelt werden muss. „Der Schrittmotor ist somit die perfekte Lösung für unsere optische Anwendung, da er die Objektiveinstellung dank seines Rastmoments auch ohne Strom halten kann. Zudem werden durch die Ansteuerung im offenen Regelkreis Jitter (Servozittern) vermieden; es entstehen sehr scharfe und klare Bilder“, erklärt Sébastien Vaneberg, Vertriebsingenieur bei der FAULHABER PRECIstep SA. Diese Schweizer Gesellschaft ist innerhalb der FAULHABER GROUP auf besonders kleine Schrittmotoren spezialisiert. Der Motoraufbau und eigens entwickelte Fertigungsverfahren erlauben eine schnelle Anpassung der Antriebe an kundenspezifische Anforderungen.
 

Passen sich den Anwendungsanforderungen an

 

Die an den Rotationsachsen im Filterwechselsystem der PanCam eingesetzten zweiphasigen Schrittmotoren der Serie AM1020 beispielsweise messen im Durchmesser lediglich 10 Millimeter, sind knapp 16 mm lang und liefern ein Drehmoment von 1,6 mNm. Sie arbeiten mit einer Auflösung von 20 Schritten pro Umdrehung und sind mit einem Präzisionsgetriebe gleichen Durchmessers kombiniert, das eine Übersetzung von 64:1 liefert.

 

In enger Engineering-Zusammenarbeit mit MSSL haben die Antriebsspezialisten die Motoren zudem für den kommenden Einsatz auf der Marsoberfläche entsprechend angepasst. Hierzu zählen zum Beispiel ein vakuumtauglicher Trockenschmierstoff sowie angepasste Sinterlager. „Die Motoren müssen auf dem Mars überleben können“, bringt Jonathan Jones die Anforderungen an die Antriebe auf den Punkt. Und damit später nach der Landung nichts dem Zufall überlassen bleibt, testet das Mullard Space Science Laboratory die Komponenten der Panoramakamera aktuell in einer Versuchsumgebung.

 

Die Rahmenbedingungen bei den Tests gehen dabei noch über die Verhältnisse auf dem Mars hinaus. Die Antriebe müssen 5.000 Zyklen positionieren und dabei wechselnden Temperaturen zwischen -130 und +50 °C ertragen. „Der Versuch läuft und die Motoren übertreffen unsere Erwartungen“, freut sich Jonathan Jones. „Auf dem Markt haben wir nichts Vergleichbares gefunden, als es um die Konzeption der Antriebe ging.“ FAULHABER gehört zudem zum Standard der European Space Agency (ESA), die das ExoMars-Projekt in Zusammenarbeit mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos bis 2020 auf die Startrampe bringen will.

 

Aber nicht nur im Weltraumeinsatz muss Antriebstechnik hohe Anforderungen erfüllen. In anderen Industriebereichen, wie zum Beispiel der Medizintechnik, dem Transportwesen, der Militärtechnik oder in Kernkraftwerken sind die Anforderungen vergleichbar. Was sich also in Luft- und Raumfahrt bewährt, bietet deshalb auch für solche Einsatzbereiche gute Voraussetzungen. Hohe Zuverlässigkeit, wenig Gewicht, hohe Leistungsdichte, geringes Trägheitsmoment, hochgenaues Positionieren und geringer Stromverbrauch sind schließlich in vielen Anwendungen gewünscht. Anforderungen wie Vakuumtauglichkeit, Verträglichkeit hoher Temperaturunterschiede, Robustheit gegen Vibrationen und hohe Beschleunigungen können die Kleinstantriebe natürlich genauso erfüllen. Dank des modular aufgebauten Standardprogramms kann in den meisten Fällen auf Sonderentwicklungen verzichtet werden. Ebenso wie bei der beschriebenen Anwendung genügen meist wenige, nicht allzu kostenträchtige Modifikationen, um auch eher speziellen Aufgabenstellung Rechnung zu tragen.


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