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Das Festfressen von Verbindungselementen aus Edelstahl
 Bild 1: Festgefressenes Verbindungselement
14.07.2016 | Aus Edelstahl, Aluminium und Titan hergestellte Verbindungselemente sind beim Anziehen häufig von einer Kaltverschweissung, dem sogenannten Festfressen, betroffen. Verbindungselemente aus Edelstahl sind in austenitischen, ferritischen und martensitischen Ausführung verfügbar.
In der Industrie werden vorwiegend Verbindungselemente aus austenitisch gehärtetem Edelstahl verwendet. Edelstahle sind mit einer Chromoxydschicht gegen Korrosion oberflächengeschützt.
Wenn zwei Verbindungselemente zusammengefügt werden, wird zwischen dem Bolzen und der Mutter ein Oberflächendruck aufgebaut, wodurch die Oxydschutzschicht entfernt oder geschädigt werden kann. Der hohe Reibungswiderstand zwischen den Oberflächen der Verbindungselemente kann dazu führen, dass es an den Stellen, wo die Schutzoberfläche abgetragen wurde und das Grundmetall freiliegt, zu einem Festfressen kommt, das als Kaltverschweissung bezeichnet wird. Ein höherer Reibungskoeffizient erhöht die Gefahr des Festfressens erheblich.
Die unsachgemässe Montage bewirkt ein Anfressen und Abrieb an den Gewinden, wodurch die Verbindungselemente beim Anziehen blockieren und die Gewinde dadurch Schaden nehmen. Man bezeichnet diesen Vorgang auch als Kaltverschweissung (Reibschluss) der Gewindeflanken.
Dieser Vorgang tritt dann ein, wenn unterschiedlich wärmebehandelte Edelstahle und mechanischen Eigenschaften über einen längeren Zeitraum an den Gewindeflanken in Kontakt stehen. Die folgende Grafik veranschaulicht das Montageverhalten von sieben unterschiedlichen Edelstahlarten. Sie zeigt auf, dass die Montagezeit bis zum Festfressen bei einer bestimmten Last zwischen 7 und 58 Sekunden liegen kann. URSACHEN DER KALTVERSCHWEISSUNG 
 Tabelle 1: Vergleich der Werkstoffeigenschaften hinsichtlich der Kaltverschweissung In diesem Abschnitt werden mehrere Ursachen des Festfressens und die Vorbeugemassnahmen unter den entsprechenden Rahmenbedingungen erläutert.
DREHMOMENT UND FESTFRESSGEFAHR
Die VDI 2230 (Richtlinien Verein Deutscher Ingenieure – Verbindungstechnik) empfehlen, dass Schrauben nur einer Beanspruchung von bis zu 90 % ihrer Streckgrenze ausgesetzt werden sollen. Falls das Anzugsdrehmoment zu hoch liegt, kann die Schraube überzogen oder gar zum Bruch gebracht werden. Schrauben können auch durch Scherkräfte beim Anziehen infolge zu hoher Reibung in den Gewindeflanken brechen.
Der Reibungskoeffizient bei Edelstahl auf Edelstahl ist im Vergleich zu anderen Materialkombinationen verhältnismässig hoch. Um dieselbe Vorspannung zu erreichen, müssen authentische Edelstahle der Klasse A1 bis A4 mit einem höheren Anzugsdrehmoment angezogen werden, als gewöhnliche Stahlschrauben gleicher Festigkeit.
Falls ein Festfressen eintritt, erhöht sich das Anzugsdrehmoment und die Montage-Vorspannung wird nicht erreicht. Manchmal erhöhen die Monteure das Anzugsdrehmoment, um das Verbindungselement richtig anzuziehen, ohne sich bewusst zu sein, dass dabei ein Festfressen auftreten kann. Solche Fehler werden beim Anziehen kaum wahrgenommen und sind von aussen nicht sichtbar. Bei Reparatur- oder Wartungsarbeiten stellt man dann fest, dass die Verbindungselemente nicht mehr gelöst werden können.
Beim Auftreten einer Kaltverschweissung lösen sich weder Schraube noch Mutter und diese gehen dadurch auch nicht verloren. Doch Schraubverbindungen, die nicht richtig angezogen wurden, können unter Betriebslast einer Materialermüdung unterliegen.
Das Schmieren von Verbindungselementen aus Edelstahl vor dem Verschrauben oder
Verbindungselemente mit einer tribologischen Oberflächenbeschichtung und Schmiereigenschaften haben sich als effiziente Lösung gegen Festfressen erwiesen (lesen Sie mehr unter "Vorbeugung gegen Festfressen" im Abschnitt unten).
HERSTELLUNGSVERFAHREN UND KALTVERSCHWEISSUNG
Die Gewindeoberfläche kann bei Betrachtung mit blossem Auge eben aussehen. Bei nähe-
rer Betrachtung unter dem Mikroskop kann das Gewinde jedoch Faltenbildungen an den
Gewindekuppen aufweisen. Dieser Fehler tritt auf, wenn die Walzbacken nicht richtig eingestellt werden. Stumpfe Gewindekuppen verringern die Gewindeformungseigenschaften bei gewindefurchenden Schrauben.
Das Innengewinde einer Sicherungsmutter kann vergleichbare Anomalien aufweisen, was
zu einem Anfressen bei Gewindepaarungen führt. Diese Fehlerarten werden als "unsichtbare" Fehler eingestuft. Fabrikanten sind bei der Herstellung von gewindeschneidenden und gewindeformenden Verbindungselementen aus denselben Gründen besonders vorsichtig. Das Erzeugen von Gewindegraten während dem Gewinderollen ist einer der Hauptgründe für das Auftreten einer Kaltverschweissung.
BEFESTIGUNGSELEMENTE UND FESTFRESSGEFAHR BEI HOHEN TEMPERATUREN
Gasturbinen und Dieselmotoren sind Maschinen, die typischerweise hohen Betriebstemperaturen ausgesetzt werden. Hohe Temperaturen können die physischen Eigenschaften eines Materials verändern. Infolge hoher Temperaturen kann die Freisetzung von aggressiven Gasen zu Abschuppungen auf der Oberfläche von Schrauben und Muttern führen. Thermische Ausdehnung kann zu einer dauerhaften Verkrümmung führen. Unabhängig von äusseren Einflüssen muss die Vorspannung bei im Einsatz befindlichen Verbindungen stets erhalten bleiben. Darüber hinaus müssen die Befestigungselemente für Unterhalts- und Reparaturarbeiten lösbar sein. Ein Festfressen kann auch dann auftreten, wenn Befestigungs- und Befestigungsteile aus unterschiedlichen Materialen gefertigt sind. Der Maschinenbauingenieur sollte die Einwirkungen von hohen Temperaturen bei der Auslegung von Verbindungen stets miteinbeziehen. Hohe Temperaturen sowie Relaxation sind oft die Quelle für ein Festfressen bei Wartungs- und Reparaturarbeiten. Zur Vermeidung, dass Gewinde dem Festfressen unterliegen, verfügen Gewinde von hitzebeständigen Schrauben über ein erhöhtes Gewindespiel.
VORBEUGUNG GEGEN FESTFRESSEN HERSTELLUNGSVERFAHREN
 Bild 2: Hitzebeständige Verbindungselemente Während des Herstellungsverfahrens kann der Draht gegen das Kaltverschweissen zur Schmierung mit Kupfer beschichtet werden. Die Kupferbeschichtung wirkt als stabiler Schmierstoff auf dem Draht. Nach dem Gewinderollen wird diese durch Abbeizen vom Verbindungselement entfernt.
DECKSCHICHT
Das Festfressen kann verringert oder vermieden werden, wenn das Aufliegen von Metall auf Metall in der gewählten Gewindepaarung vermieden wird.
- Schmierung mit "Molylub". Feste Molybdändisulfid-Partikel verhindern die Berührung zwischen den Metallen und verringern den Abrieb. Manchmal ist die Anwendung von Schmieröl oder -pasten nicht ausreichend, um eine Festfressgefahr vorzubeugen.
- Ähnliche Schmiermittel mit festen Silber-, Aluminium- oder Kupferpartikeln sind gleichermassen hilfreich. Diese Schmiermittel helfen dabei, den Reibungskoeffizienten zu verringern. Die meisten dieser Anti-Friction-Pasten, die an den Fliessbändern angewendet werden, enthalten solche Feststoff-Partikel. Schmiermittel, die Graphit enthalten, sind nicht empfehlenswert, da Kohlenstoff und Chrom bei hohen Temperaturen gefährliche Reaktionen auslösen können.
- Ein dünnes Teflon-Abdeckband kann Schutz gegen Festfressen bieten. Bei grossen verschraubten Komponenten, wie Röhren und Ventilen, können die Gewinde dieser Teile mit einem dünnen Teflon-Abdeckband versiegelt werden.
Beschichtungen aus Polyseal, Xylan ® , Delta ® -Seal oder Wachs können bei Verbindungs-
elementen aus Edelstahl den fressenden Verschleiss ebenso verhindern.
TRIBOLOGISCHE BESCHICHTUNG
Fluorpolymerbeschichtungen bestehen aus einer Mischung aus Harzen und Fluorpolymer-
Schmierstoffen. PTFE, PVDF, PFA und FEP verringern die Reibung, erhöhen den Schutz gegen Korrosion und chemische Einwirkungen, reagieren wasserabweisend und behalten die haftungsabweisenden Eigenschaften für Temperaturen von bis zu 288 ºC bei.
Bei der ecosyn ® -lubric Beschichtung von Bossard handelt es sich um eine tribologische
Trockenbeschichtung für mechanische belastete Verbindungselemente und -komponenten (Schrauben, Muttern, Unterlegscheiben usw.). Die Beschichtung besteht aus einer dünnen Schicht, die nicht elektrolytisch aufgetragen wird und schmierende sowie korrosionshemmende Eigenschaften aufweist.
Die Beschichtung besteht aus einer Verbindung von Fluorpolymeren und festen organischen Schmierpartikeln, die mit ausgewählten synthetischen Harzen und Lösungsmitteln versehen werden. Sie wird als AF-Beschichtung (Anti Friction Coating) bezeichnet, denn sie bildet einen feinen Schutzfilm, der sämtliche Oberflächenunebenheiten ausgleicht und damit die Reibung selbst unter extremen Belastungen und Arbeitsbedingungen optimiert. Synthetische Harze verbessern die Korrosionsbeständigkeit erheblich.
Eine dünne trockene Schmierstoffschicht, die fest auf der Trägerschicht haftet, bildet nach dem Aushärten einen Schutzfilm. Dieser Film dient als Tennschmierschicht, wodurch die Reibung und Verschleiss zwischen den beiden Reibungselementen erheblich verringert wird.
Die tribologischen Oberflächenbeschichtungen von Bossard ecosyn ® -lubric bieten eine optimale Lösung für zahlreiche Anwendungen, die einen genau festgelegten Reibungskoeffizienten sowie einen effektiven Schutz gegen Verschleiss und Abrieb bieten. Die tribologischen Eigenschaften von Bossard ecosyn ® -lubric verringern das Auftreten von Kaltver-
schweissung bei Verbindungselementen. Oberflächenbeschichtungen ecosyn ® -lubric helfen auch dabei, die vorgeschriebenen Anzugsdrehmomente beizubehalten und die korrekten Montagevorspannkräfte zu erreichen.
ZUSAMMENFASSUNG
Verbindungselemente aus Edelstahl sind bei der Montage von einer möglichen Kaltverschweissung betroffen. Eine exzessive Reibung und Erhitzung während des Anziehens bewirkt eine Verformung der Oberflächen und führt zu einem Anfressen der Gewindepaarung. Die Verwendung von Schmiermitteln oder intelligenten Oberflächenbeschichtungslösungen, wie ecosyn ® -lubric von Bossard, Fachkenntnisse bei der Gewindeformung, angemessene Montagedrehzahl der Installationswerkzeuge, Sauberkeit der Teile sowie angemessene Verbindungsauslegung führen zu einer Verringerung oder einer vollständigen Eliminierung des Festfressens.
Wird der Vermeidung des Festfressens genügend Beachtung geschenkt, dann erweisen sich Schraubverbindungen aus Edelstahl auf Grund ihrer Rostbeständigkeit und generell höheren Dehnbarkeit im Vergleich zu herkömmlichem Baustahl als überaus nützlicher Schraubenwerkstoff.
VON PETER WITZKE, LEITER DES BOSSARD EXPERT TEAMS
Bibliografie
Budinski, K. G (1991). Tribological Properties of Titanium Alloys. International Conference
on Wear of Materials.
Producers, C. o. (1978). Review of the Wear and Galling Characteristics of Stainless Steel.
American Iron and Steel Institute, 2-19.
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