Faktenbasierte Energieoptimierung - Der BaN

Faktenbasierte Energieoptimierung - Der BaN
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Die violette Verlaufsgrafik visualisiert einen nicht unerheblichen BaN an den Wochenenden und auch in der Nacht.
12.10.2018 | In diesem Teil gehen wir auf ein interessantes und unterschätztes Thema zur Energie- und somit auch Kosteneinsparung ein, dem "BaN" bzw. "Betrieb ausserhalb Nutzungszeit".

Als Nutzungszeit bezeichnet man in diesem Zusammenhang die Betriebszeit einer Infrastruktur in welcher die eigentliche Wertschöpfung erfolgt.

Betriebe produzieren beispielsweise über eine oder mehrere Arbeitsschichten, diese Schichten gelten bei unserer Betrachtung als Nutzungszeit. In Bürogebäuden ist die übliche Nutzungszeit meist von 07:30 bis ca. 17:30. Der BaN steht in diesem Zusammenhang für die Zeit, in welcher die Infrastruktur erheblich weniger oder nicht genutzt wird, man geht meist davon aus, dass dann der Energieverbrauch nahezu "null" sein müsste, diese Annahme erweist sich in der Regel als falsch. Zeichnet man mit einem Leistungs-/Energielogger den Verbrauch über eine Woche bzw. 7 Tage auf - die Wochenenden sind mindestens so spannend wie die Wochentage - ist man nicht selten erstaunt wie viel Energie im angenommenen "Standby" verbraucht wird
 
Die Aufzeichnung der elektrischen Leistung (oder auch dem Strom) liefert uns interessante und wichtige Fakten für die weiteren Abklärungen. Im Bild ist der BaN hellgrau hinterlegt, die weissen Abschnitte zeigen die Nutzungszeit, in diesem Beispiel die Wochentage von 08:00 bis 17:00 Uhr.
 
Die violette Verlaufsgrafik visualisiert einen nicht unerheblichen BaN an den Wochenenden (Leistungsbezüge laufen durch) und auch in der Nacht (nicht unter 2 kW).
 
Je nach Infrastruktur ist es angebracht sich die Frage zu stellen welche Verbraucher zum Beispiel an den Wochenenden oder auch in der Nacht ungewollt Energie konsumieren.


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Die Verursacher des BaN sind Infrastruktur und Betriebsart abhängig, die Grafik zeigt ein fiktives Beispiel eines Bürogebäudes
Die Verursacher für den BaN sind je nach Infrastruktur, Betriebsart und auch Betriebs- bzw. Nutzungszeit unterschiedlich. In Bürogebäuden kann die Aufteilung des BaN beispielsweise wie in der Grafik gezeigt aussehen.
 
Die im Kreis hellblau eingefärbten Anteile des Energieverbrauchs der Sicherheits- und Gebäudetechnik, Telefon und Kommunikation können in der Regel nicht gesenkt werden, die Verbrauchsanteile in orange sind mit mehr oder weniger Aufwand vermeidbar. Bei der Umsetzung von Sparmassnahmen kann ein durchaus interessanter Teil des Sparpotentials mit relativ geringem finanziellem und technischem Aufwand umgesetzt werden. Den gesamten vermeidbaren Energieverbrauch zu verhindern ist meist ökonomisch nicht interessant genug. Man beschränkt sich auf die grössten und einfach zu erreichenden Anteile. Im Büro zum Beispiel auf das automatische herunterfahren von PC's mittels Betriebssystemeinstellungen in den Standby-Betrieb wenn der Benutzer eine bestimmte Zeit inaktiv war. Der Einsatz von Bildschirmen die sich automatisch ausschalten sobald kein Bildsignal mehr vom Computer ankommt. Kopierer und Drucker welche über allfällig vorhandene Einstellungen der Gerätefirmware oder mit kostengünstigen, steckbaren Schalturen im BaN komplett abgeschaltet werden, dies lohnt sich insbesondere bei Lasergeräten welche mit der integrierten Heizung die Fixiereinheit im Bereitschaftsmodus ständig auf einem bestimmten Temperaturniveau halten muss um sofort drucken zu können wenn der Befehl dazu kommt.
 
Der Grundsatz "Der letzte löscht das Licht" wird häufig ignoriert, jedenfalls zeigen Energiestudien, dass nicht gelöschte Beleuchtungen einen interessanten Anteil des BaN ausmachen können. Hier ist der finanzielle Aufwand zur Vermeidung der Energieverluste im erzieherischen Sinne relativ gering, die Mitarbeiter anzuhalten beim Verlassen des Arbeitsplatzes bzw. der Firma das Licht zu löschen. Aus Erfahrung zeigt sich leider dieser Ansatz als nicht effizient und nachhaltig genug, die Benutzer fallen nach einer bestimmten Zeit wieder in den "nicht ausschalten Modus" zurück - Ausnahmen ausgeschlossen. Für Beleuchtungen sind somit etwas aufwändigere Massnahmen wie z.B. die Installation von Präsenzmeldern Sinnvoll.
 
Die mit "Diverses" nicht näher definierten Verbraucher welche immer wieder in Energiestudien an elektrischen Anlagen auftauchen sind z.B. nicht ausgeschaltete Kaffeemaschinen, dezentrale Klimaanlagen, kleine Heizkörper an den Arbeitsplätzen und zahllose Netzteile zur Versorgung von Kleingeräten welche auch im Standby Energie verbrauchen.
 
An industriell genutzter Infrastruktur treten ebenfalls namhafte Verluste auf, diese zu mindern ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, denn der Betrieb der Produktion soll ohne erhöhte Risiken und Einschränkungen möglich sein. Alte Motoren verbrauchen 3 bis 4 mal so viel Energie wie moderne IE3 oder IE4 Motoren. Oft sind die Antriebe auch überdimensioniert und haben daher einen entsprechend schlechten Wirkungsgrad. Lässt man alte Motoren jahrelang mit dem gegenüber moderner IE3 und IE4 Antriebe erhöhten Leistungskonsum weiterlaufen, verschwendet man Geld innert weniger Jahre in der Höhe der Kosten für einen neuen, effizienten Motor. Ein interessantes Thema zum Sparpotential in der Industrie ist die Druckluft und deren Erzeugung mittels Kompressoren und der anschliessenden Speicherung. Druckluft gilt als eine der teuersten Energieformen da die Systemverluste zur Herstellung bis zu 90% betragen. Bei Druckluftsystemen spielt die Dimensionierung der Kompressoren wie auch der Speicher eine grosse Rolle. Auch der Transport und die Verwendung der Druckluft sollte mit dem Grundsatz "So wenig wie möglich, so viel wie nötig" erfolgen, das Putzen der Arbeitskleider und des Bodens mit Druckluft kann man durchaus in Frage stellen, auch ob die Kompressoren über das betriebsfreie Wochenende und nachts permanent die die Speicher und alle Leitungsabschnitte nachfüllen sollen oder ob Absperrventile die nicht benutzten Anlageteile vom System trennen können. Ein Kubikmeter Druckluft kostet zwischen 10 und 20 Rappen, je nach Verbrauch und Verlust wird hier jährliches Sparpotential im Bereich von fünf bis sechs stelligen CHF-Beträgen generiert. Das Thema zum Einsparpotential von Druckluftanlagen ist weitreichend und komplex, daher gehe ich nicht weiter darauf ein, weiterführende Informationen bietet das Internet, unter anderem auch die Webseite www.energie.ch/druckluft.
 
Ob sich die Umsetzung eines möglichen Sparpotentials im individuellen Betrieb lohnt kann anhand der Energierechnung grob abgeschätzt werden, ist diese tiefer als 500'000 kWh pro Jahr ist es fraglich ob die Kosten für die die Sparmassnamen gerechtfertigt sind. Auch eine erste Messung am Übergabepunkt der Energie ist eine zusätzliche, einfache und schnelle Möglichkeit zu erkennen ob generell lohnenswertes Sparpotential vorhanden ist. Erfahrungswerte zeigen, dass im schlechteren Fall das Sparpotential bei 5-10%, im besseren Fall bei 10-20% und mehr liegt. Je älter die Infrastruktur bzw. Anlagen je grösser ist in der Regel das Sparpotential! Leider lassen sich keine genauen Angaben zum effektiven Sparpotential in den diversen individuellen Infrastrukturen machen, jede Anlage, jedes Gebäude und jeder Benutzer und somit jedes Energiesparpotential sind unterschiedlich. Um Energie und kosten zu sparen muss jedoch eine aussagekräftige Datengrundlage bestehen, ohne dies lässt sich nicht effektiv und ökonomisch Energie sparen - bevor man ans Werk geht sollte man detailliert wissen wann, wo, wieviel Energie verbraucht wird!
 
Sollten Sie Fragen zum Inhalt des Fachbeitrages oder auch zu einem Projekt zur Energieoptimierung oder der Netzqualität und den Möglichkeiten zur Datenerfassung mittels mobiler und stationärer Messgeräte haben, steht ihnen der Autor dieses Beitrags gerne für Auskünfte zur Verfügung.

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