Immer mehr Industriezweige setzen auf additive Fertigung, um kostengünstig und schnell Bauteile mit aussergewöhnlichen Geometrien zu fertigen – von Prototypen für die Automobilbranche über medizinische Implantate bis hin zu komplexen Bauteilen für die Luft- und Raumfahrt. In den letzten Jahren hat sich das 3D-Druck-Ökosystem entsprechend stark ausgebildet, mit zahlreichen Anbietern, die sich auf die Entwicklung von Geräten, Materialien und 3D-Druck-Dienstleistungen spezialisiert haben. Trotz der Herausforderungen durch mehrere Krisen blickt die Branche weiterhin optimistisch in die Zukunft und zeichnet ein widerstandsfähiges Bild. „Im aktuell branchenübergreifend sehr schwierigen Marktumfeld zeigen sich unsere Mitgliedsfirmen erstaunlich robust“, sagt Dr. Markus Heering, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Die Arbeitsgemeinschaft, welche die Industrialisierung additiver Fertigungsverfahren vorantreibt, hatte in der Frühjahrsumfrage 2024 rund 200 teilnehmende Unternehmen und Forschungsinstitute befragt. „Beim Ausblick auf die nächsten 24 Monate erwarten jeweils fast 70 Prozent der Befragten sowohl im heimischen Markt als auch im Exportgeschäft eine Rückkehr zum Wachstum.“ Doch Anbieter müssen ihre Agilität unter Beweis stellen, um langfristig global wettbewerbsfähig zu bleiben. „Es geht darum, neue Applikationen zu finden, in denen AM für anwendende Unternehmen echte Mehrwerte bietet“, sagt Heering. „Um die Marktakzeptanz zu steigern, müssen wir ausserdem weiter an der Stabilität und Reproduzierbarkeit der AM-Prozesse und am Kostenniveau arbeiten.“ Auch wenn viele Verfahren zügiger als erwartet reiften, bleibe die technologische Weiterentwicklung in allen Bereichen der Prozesskette die zentrale Aufgabe der jungen Branche.
3D-Druck-Service von igus produziert mehr als 300'000 Bauteile pro Jahr
Neue Applikationen finden, sich technologisch weiterentwickeln und gleichzeitig Kosten senken: Wie Anbietern der AM-Branche dieser Anforderungsspagat gelingt, zeigt das Unternehmen igus. Seit 1964 auf die Entwicklung und Herstellung von Kunststoffteilen spezialisiert, hat igus traditionell das Spritzgussverfahren genutzt. In den letzten Jahren hat das Unternehmen jedoch auch den industriellen 3D-Druck in seine Produktion integriert. Kunden können über einen 3D-Druck-Service Sonderteile aus Hochleistungskunststoff innerhalb von drei Tagen fertigen lassen, indem sie einfach ein CAD-Modell ihres Bauteils online hochladen. Im Onlinetool werden die Fertigungsmöglichkeiten und passende Materialien angezeigt. Ausserdem gibt das Tool Auskunft über die Kosten, Machbarkeit, Lieferzeit und sogar die Lebensdauer. Die Daten für den Lebensdauerrechner basieren auf den ausführlichen Testreihen im hauseigenen 4'000 Quadratmeter grossen Prüflabor in Köln.
„Der Markt für additive Fertigungsverfahren entwickelt sich gesund“, sagt Jonas Burk, Leiter Geschäftsbereich Additive Fertigung bei igus. „Obwohl das Wachstum nicht mehr so rasant ist wie vor zehn Jahren, deuten kontinuierliche technische Fortschritte und eine zunehmende Marktdurchdringung auf positive Zukunftsperspektiven hin.“ Der 3D-Druck-Service von igus produziere derzeit mehr als 300'000 Bauteile pro Jahr. Dazu gehören unter anderem Zahnräder für Feuerwehrlöschfahrzeuge, filigrane Komponenten für medizinische Geräte oder massgeschneiderte Fingergelenke für Hand-Exoskelette. Im Vergleich zur klassischen Spritzgusstechnologie, die bei der Herstellung von Unikaten und Kleinserien häufig hohe Werkzeugkosten und zeitaufwendige Prozesse mit sich bringt, ermöglicht der 3D-Druck die schnelle und kosteneffiziente Produktion komplexer Geometrien bereits ab Stückzahl 1.
Flexibel auf spezifische Kundenbedürfnisse eingehen
Der 3D-Druck-Service von igus nutzt drei verschiedene Verfahren: FDM, SLS und DLP. Beim Fused Deposition Modeling (FDM) werden durch Düsen bis zu vier verschiedene schmelzfähige Kunststoffe schichtweise aufgetragen. Beim Selective Laser Sintering (SLS) tragen die 3D-Drucker mit einem Rakel Kunststoffpulver schichtweise auf eine Bauplattform auf, um es mit einem Laser punktuell dort aufzuschmelzen, wo das Bauteil entstehen soll. Dieser Prozess ist so präzise, dass sich sogar dünne Wandstärken von nur 0,7 mm realisieren lassen. Beim Digital Light Processing (DLP) hingegen härten die 3D-Drucker Schichten von Kunstharz in einem Becken mit UV-Licht aus. Dieses vergleichsweise neue Verfahren erreicht eine Druckauflösung von sogar 35 µm (0,035 mm) und eignet sich besonders für kleine Zahnräder und Sonderbauteile, die filigrane Aussparungen, innere Kanäle oder feinste Bohrungen benötigen. Burk: „Diese Vielfalt an Verfahren stellt sicher, dass wir flexibel auf die spezifischen Bedürfnisse unserer weltweiten Kunden eingehen können.“
Bis zu 60-fach höhere Lebensdauer
Das Besondere am 3D-Druck-Service von igus sind allerdings nicht die Drucker selbst, sondern die speziell entwickelten Druckmaterialien für die Industrie, in die das Unternehmen kontinuierlich investiert. igus hat in den letzten Jahren diverse thermoplastische Filamente entwickelt, die industrielle Anforderungen wie Temperaturbeständigkeit, Chemikalienbeständigkeit und Lebensmittelverträglichkeit erfüllen. „Unsere Filamente, Pulver und Kunstharze sind weltweit einzigartig, da sie gezielt entwickelt wurden, um Reibung und Verschleiss in industriellen Anwendungen zu reduzieren“, erläutert Burk. „Sie bieten Schmier- und Wartungsfreiheit durch integrierte Festschmierstoffe, eine erheblich höhere Lebensdauer als herkömmliche Kunststoffe wie POM, ABS oder Nylon und erreichen eine vergleichbare Robustheit wie Bauteile aus dem Spritzguss“, sagt Burk. „Kunden können mit einer bis zu 50-mal längeren Lebensdauer als bei herkömmlichen Materialien rechnen.“ igus investiere zudem in Forschungsarbeit, um neuartige Druckmaterialien für den vergleichsweise jungen DLP-Markt zu entwickeln. Zu den neuesten Innovationen zählt iglidur i3000, das weltweit erste 3D-Druck-Resin speziell für den DLP-Druck von Verschleissteilen. „Dieses Material ermöglicht die additive Fertigung besonders kleiner und präziser Bauteile mit einer bis zu 60-fach höheren Lebensdauer im Vergleich zu herkömmlichen 3D-Druck-Harzen“, so Burk.
Additive Fertigung führt Gleitlager ins Industrie-4.0-Zeitalter
igus verfolgt zudem das Ziel, die Megatrends Industrie 4.0 und 3D-Druck zu verknüpfen. Ein Beispiel hierfür ist die Transformation klassischer Kunststoffgleitlager in sogenannte smart plastics. Diese Lager sind mit integrierten und vernetzten Sensoren ausgestattet, die den Verschleissgrad kontinuierlich messen. Dadurch können Unternehmen rechtzeitig handeln und Lager austauschen, bevor es zu einem Ausfall kommt – ein Ansatz, der unter dem Begriff Predictive Maintenance bekannt ist. Um die Sensoren kostengünstig in die Lager zu integrieren, setzt igus auf den 3D-Druck. „Mit einem Multimaterialdruck lassen sich die Sensoren durch den Einsatz von elektrisch leitfähigen Filamenten direkt in das Lager einbringen“, erklärt Burk. „Dank der additiven Fertigung wird es möglich, auch kleine und preiswerte Komponenten wie Gleitlager in das Industrie-4.0-Zeitalter zu überführen.“