Faktenbasierte
Energieoptimierung - Der Leistungsfaktor

Faktenbasierte Energieoptimierung - Der Leistungsfaktor
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Verlaufsgrafik Cosinus Phi und Blindenergie, Zeitfentseter 1 Woche
26.07.2018 | Im ersten Teil der Fachberichtreihe wurden die Grundlagen zur Datenerfassung aufgezeigt, im zweiten sind wir auf den "Leistungspreis" eingegangen, in diesem Teil widmen wir uns der Betrachtung des Leistungsfaktors "Cosinus Phi" (im folgenden cosPhi genannt) bzw. der Blindleistung (Var) bzw. Blindenergie (Varh) und deren Einfluss auf die Stromrechnung.

Blindenergie entsteht als "Abfallprodukt" in unseren Versorgungsnetzen, sie belastet die Netze zusätzlich und verrichtet keine brauchbare Arbeit, die Verluste trägt entweder das liefernde Werk oder es verrechnet diese weiter an den Verursacher. In diesem Zusammenhang geht es einerseits um die Vermeidung von Verlusten wie auch zusätzlicher Kosten.
 
Für die Beurteilung ob die Verluste durch den Energielieferanten weiter an den Energiekunden verrechnet werden, wird üblicherweise der "Cosinus Phi" verwendet welcher über den Phasenverschiebungswinkel der Grundschwingung (in unserem lokalen Netz meist 50 Hz) zwischen Strom und Spannung berechnet wird. Die Werte des cosPhi liegen zwischen -1 und +1 (je nach Energieflussrichtung), für eine normale Netzsituation mit induktiven Verbrauchern wie z.B. direkt am Versorgungsnetz angeschlossene Motoren und konventionelle Eisen- oder Ringkerntransformatoren liegt dieser zwischen 0 und 1 - je kleiner der Wert je grösser die Verluste. Elektrizitätswerke legen unterschiedliche Grenzwerte fest, die meisten bewegen sich jedoch um cosPhi 0.9. Stellt das liefernde EW durch die Messung des cosPhi fest, dass der Grenzwert unterschritten ist sucht es nach eigenem Ermessen das Gespräch mit dem Stromkunden um allfällige Gegenmassnahmen (Kompensation) einzuleiten oder verrechnet die Verluste auf der Energierechnung.
 
Die Kosten für die Verluste können je nach Betriebsstruktur und den vorhandenen induktiven Lasten einen nicht zu unterschätzenden Bestandteil der Energierechnung ausmachen. Im folgenden fiktive Beispiel fordert das liefernden Werk bei einem cosPhi unter 0.92 einen Aufschlag von 4.1 Rp / kVarh. Die Grafik im Bild zeigt mit der roten zickzack Linie den Verlauf des gemessenen cosPhi, die hellgrüne gestrichelte horizontale Linie ist der Grenzwert des vom Elektrizitätswerk tolerierten Wertes, diese dürfte längerfristig nicht unterschritten werden. Die Verlaufslinie des cosPhi liegt jedoch permanent unterhalb des minimalen Grenzwertes. Dies hätte zur Folge, dass der Energielieferant gemäss Vertrag einen Aufschlag aufgrund der im Beispiel in der Hochtarifzeit (hellrote Zonen) verursachten Blindenergie von 702 kVarh (violette Linie) berechnet. Die Messung zeigt ein Zeitfenster von 1 Woche in welcher die Blindenergie mit 28.- CHF "Strafkosten" für den schlechten cosPhi bzw. die Netzverluste dem Kunden zusätzlich in Rechnung gestellt werden. Rechnet man dies auf ein Jahr hoch (einfachheitshalber hier mit 50 Wochen berechnet) ergibt dies Mehrkosten von rund 1400. CHF.

Da der Buchhalter einer Unternehmung meistens kein Elektrofachmann ist und sich unter dem cosPhi bzw. der Blindenergie und der damit in Zusammenhang stehenden Mehrkosten auf der Rechnung des Elektrizitätswerkes nicht viel vorstellen kann, bleiben die durch Kompensation vermeidbaren Mehrkosten häufig unentdeckt. Es lohnt sich somit sich die Energiekostenabrechnung des Unternehmens genauer anzuschauen und zu prüfen ob Aufschlägen für Blindenergie wie auch dem Leistungspreis wie im vorangehenden 2. Teil der Fachberichtsreihe verrechnet werden. Je nach Energieverbrauch liegt das Kostensparpotential in der Realität erheblich höher als im obigen fiktiven Beispiel!
 
Zum Schluss möchte ich noch auf ein seit Jahren zunehmendes Phänomen hinweisen, die Verbraucherstruktur hat sich stark gewandelt bzw. ist noch immer im Wandel. Anstelle von induktiven Verbrauchern werden je nach Betriebszweck und Infrastruktur mehr und mehr elektronische Netzteile zur Versorgung von z.B. LED's, PC, Laptop, Bildschirme, SmartPhones, Steuerungen, Frequenzumrichter für Motoren usw. eingesetzt. Nebst schwierig zu bewertenden Problemen bezüglich der Netzqualität (auf welche wir in späteren Artikeln noch eingehen werden) sind diese bezüglich des cosPhi gut "kompensiert", oft "zu gut" - der cosPhi kann dabei schon mal 1 betragen! Treten diese Verbraucher in grösseren Massen in einer Installation bzw. einem Netzzweig auf neigt die Situation bezüglicher der Blindenergie in die andere Richtung zu kippen, der cosPhi wird kapazitiv. Diese Situation versucht das Elektrizitätswerk zu vermeiden, denn bei kapazitivem Netz steigt die Spannung an, was unter anderem gravierende Folgen für die Lebensdauer der Verbraucher haben kann. In Zukunft wird es vielleicht auch bezüglich kapazitivem cosPhi "Strafaufschläge" oder vom EW verordnete Gegenmassnahmen geben welche der Verursacher zu bezahlen hat.
 
Sollten Sie Fragen zum Inhalt des Fachbeitrages oder auch zu einem Projekt zur Energieoptimierung oder der Netzqualität und den Möglichkeiten zur Datenerfassung mittels mobiler und stationärer Messgeräte haben, steht ihnen der Autor dieses Beitrags gerne für Auskünfte zur Verfügung.

 


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