Betrieb und Wartung von Pressen optimiert

Betrieb und Wartung von Pressen optimiert
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Mehr als 15 Pressen wurden in Nordamerika mit einer IO-Link-Steuerungsarchitektur von Eagle Press & Flodraulic gefertigt und installiert.
23.04.2019 | Mit IO-Link sind die Maschinen von Eagle Press für die Herausforderungen des Industrie-4.0-Zeitalters gerüstet: Dank dem einfachen Aufbau, der fehlerfreien und Zeit sparenden Verkabelung hat die bidirektionale Schnittstelle den kanadischen Hersteller überzeugt. Eagle-Pressen mit IO-Link verfügen über ein schlankeres Design und stehen Kunden schneller einsatzbereit zur Verfügung. Diese profitieren von den IO-Link typischen Diagnose- und Parametriervorteilen und reduzierten ihre Wartungseinsätze. IO-Link steht für neuartige Automatisierungskonzepte, höhere Produktivität und geringere Stillstandszeiten.

Vor drei Jahren stieß Jamie Beneteau zu Flodraulic, Steuerungszulieferer von Eagle Press. Damals sah das Flodraulic/ Eagle Press-Team noch keinen Grund für einen grundlegenden Richtungswechsel beim Systemaufbau von Pressensteuerungen. Warum auch: die Maschinen liefen einwandfrei, Probleme wurden im Rahmen der Gewährleistungsfrist gelöst und die Kunden zeigten sich zufrieden. Doch Beneteau, heute Steuerungstechniker bei Eagle Press, erkannte Optimierungspotenziale: „Der Aufbau eines Schalt- und Anschlusskastens dauerte damals bis zu einem ganzen Tag, Verkabelung und Montage einen weiteren halben Tag und mehr!“ Andy Ritchie, Projektmanager bei Eagle Press, pflichtet ihm bei: „Damals mussten wir jeden einzelnen Anschluss im Schaltkasten klemmen und jede Menge Sensorkabel durchschleifen!“ Eine Presse brachte es im Schnitt auf vier Klemmenkästen: Einer am Bedienpult, ein zweiter oben am Querholm, ein dritter am Stößel und ein vierter in der Grube am Hydraulikaggregat.


Mit vor Ort zu konfektionierenden Anschlüssen war jedes Kabel praktisch eine Sonderanfertigung. Diese Art der Verkabelung verursachte nicht nur extrem hohe Kosten, sie ging auch einher mit einem erheblichen Fehlerrisiko – und mit entsprechenden Ausfallrisiken nachher beim Anlagenbetreiber. Unzählige E/A-Module mit einem enormen Platzbedarf im Schaltkasten unterzubringen stellte Eagle Press und Flodraulic gleichermaßen vor große Herausforderungen. E/A-Module, Anschlussklemmen, Montage, Verkabelung, Beschriftung und letztlich die erforderlichen Abschlusstests für jeden Schaltkasten trieben die Kosten nach oben. Die Behebung von Verdrahtungsfehlern oder losen Kabelverbindungen verschlang wertvolle Zeit. Das alles zog die Inbetriebnahmephase unnötig in die Länge und minderte die Produktivität. Am Ende standen höhere Betriebskosten sowohl für den Pressenhersteller als auch für die Kunden.


Neben zahlreichen induktiven Näherungssensoren waren in den Eagle-Pressen zudem eine ganze Reihe analoger Geräte zur Steuerung und Überwachung der Linearposition, Temperatur, Druck und Durchflussmenge im Einsatz. „Die Messung aktueller Temperaturwerte an Lagern und Buchsen ist durchaus von Bedeutung, wird der Betreiber doch so rechtzeitig auf Probleme hingewiesen, bevor die Presse Schaden nimmt“, erläutert Andy Ritchie. Mit den gängigen Problemen bei Analogsignalen waren die Ingenieure von Eagle Press und Flodraulic vertraut. Gerade deshalb galt diesem Teil des Steuerungssystems die besondere Aufmerksamkeit, wollte man doch Rausch- und Störeinflüsse ausschließen, die die Leistungsfähigkeit von Pressen beeinträchtigen.


Ein Projektteam machte sich auf die Suche nach alternativen E/A-Steuerungslösungen und formulierte Zielsetzungen:

  • Ursachen für Störeinflüsse weitestgehend reduzieren
  • Neue Lösungen via EtherNet/IP in die vorhandene Steuerungsarchitektur integrieren
  • Vollständige Integration in künftige Steuerungsarchitekturen nach Kundenwunsch (z. B. PROFINET, EtherCAT und CC-Link IE Field)
  • Einfache Verkabelung und transparenter Aufbau von Anschlusskästen
  • Einfache Lösungen/Tools zur Fehlerbehebung und zur Vermeidung fehlerhafter Anschlüsse
  • Verkürzung von Stillstandszeiten, Steigerung der Produktivität und Gesamteffizienz. 


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Im Querhaupt überwachen IO-Link-fähige Temperatursensoren (RTDs) den Status des Kupplungsöls, die Lager und die Buchsentemperaturen.

Am Anfang stand gründliche Forschung sowie die intensive Auseinandersetzung mit neuen Technologien und Lösungen zur Optimierung und Wertsteigerung der Pressen. Über viele Jahre basierte die erfolgreiche Steuerungsarchitektur von Flodraulic-/Eagle-Pressen auf den Einsatz von IP20 E/A-Anschlüssen via EtherNet/IP. „Wir belegten sämtliche Slots auf den Schalttafeln und verwendeten festverdrahtete passive Verteiler im Anschlusskasten. Damit hatten wir nur wenige Durchschleifungen. Doch bald stellten wir fest, dass es wenig sinnvoll war, die Verteiler auf der Schalttafel anzuordnen und verlegten diese auf die Außenseite der Presse“, erläutert Jamie Beneteau. Die neue Verkabelungslösung, weg von einzelnen Kabeln hin zu passiven Verteilern im Feld, konnte jedoch die grundlegenden Nachteile nicht beseitigen. So brachte die direkte Verkabelung zahlreiche Probleme mit sich, darunter in der Regel einen hohen Zeitaufwand für die Fehlerbehebung.


Jamie Beneteau und Greg Heyd, Steuerungssystementwickler bei Flodraulic, schlugen Ritchie schließlich die innovative Kommunikationsschnittstelle IO-Link vor. „IO-Link bedeutet eine grundlegende Veränderung im Anlagenaufbau, dazu mussten wir zunächst noch das geeignete Projekt finden“, erinnert sich Andy Ritchie. Die enorme Vereinfachung und Verkürzung der Installationsphase mit einer geradezu dramatischen Reduzierung der Fehlerbehebung überzeugten. IO-Link ist ein nicht-proprietärer Kommunikationsstandard, der inzwischen von mehr als 160 Komponentenherstellern und Unternehmen unterstützt wird. Damit steht Maschinenherstellern erstmals eine Automatisierungstechnologie zur Verfügung, die so einfach zu nutzen ist wie der USB-Standard bei Personal Computern.


Entwickelt wurde IO-Link, um intelligenten Sensoren eine einheitliche Plattform für den unkomplizierten Austausch mit der Automatisierungssteuerung zur Verfügung zu stellen. Der Sensor stellt nicht mehr nur Mess- oder Schaltwerte, sondern gleichzeitig vielseitig nutzbare Diagnose- und Parameterdaten zur Verfügung. In Kombination mit einem IO-Link Master können bei dieser Punkt-zu-Punkt-Verbindung die Parameter beispielsweise eines Drucksensors wie bei einem USB-System gespeichert und nach erfolgtem Austausch oder nach einer Konfigurationsänderung bequem neu geladen werden.


Das macht sowohl den Betrieb als auch die Wartung von Pressen für Eagle-Kunden deutlich einfacher. „Mit dem Tausch eines Kabels oder eines Sensors steht die Presse im Service- oder Gewährleistungsfall dank IO-Link in kürzester Zeit wieder betriebsbereit zur Verfügung. Sollte versehentlich ein Bauteil mit falscher Teilenummer eingebaut worden sein, teilt die Maschinensteuerung dies unmittelbar mit“, ergänzt Jamie Beneteau.


Mit einem umfassenden Angebot verfügbarer IO-Link-Technik und -Komponenten kann Eagle Press heute herstellerübergreifende Lösungen realisieren, die sowohl den eigenen, aber vor allem den Anforderungen der Kunden entsprechen. IO-Link-Sensoren sind in Eagle-Pressen an zahlreichen Stellen im Einsatz: Bei der Schmier-, Kupplungs- und Kolbensteuerung dienen sie z. B. zur Überwachung des Hydraulikdrucks, der Temperatur und des Flüssigkeitsstands.
Weitere Sensoren steuern eine Abfallrutschenklappe, das Gegengewicht und die hydraulische Überlastung. Ein linearer IO-Link-Positionssensor von Balluff misst die genaue Schließhöhe. Der leitet die exakten Messdaten (in tausendstel Millimetern!) via IO-Link Master weiter, ohne dass die Auflösung oder Skalierung berechnet werden muss. „Mit dem Einsatz von IO-Link haben wir Analogsignale an der Maschine komplett überflüssig gemacht“, freut sich Andy Ritchie. 


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Ein linearer Positionssensor, der IO-Link nutzt, wird für die Positionsrückmeldung genutzt, um den Stößel für die Schließhöhe anzupassen.

Selbst klassische E/A-Einheiten wie Motorstarter auf der Schalttafel, überwacht und gesteuert via IO-Link, sowie E/A-Komponenten an der Maschine profitierten jetzt von den Vorzügen der neuen Maschinenverkabelung. Beneteau benennt noch einen weiteren Vorteil beim Umstieg auf IO-Link-Motorstarter „Gegenüber herkömmlichen Schaltgeräten entfällt mehr als die Hälfte der Verkabelung, gleichzeitig gewinnen wir zusätzliche Diagnoseinformationen!“ „Mit IO-Link von Balluff entfallen die Schaltkästen am Querhaupt, am Stößel- sowie am Schmierölgehäuse in der Grube “, ergänzt Andy Ritchie.  „I/O-Hubs machen Sicherungen und Schütze mit integriertem Kurzschlussschutz an der Maschine überflüssig“, fügt Jamie Beneteau hinzu.


Mit dem Einsatz von IO-Link hat Eagle Press die Anlagenwartung für den Betreiber deutlich optimiert. Der Austausch verschlissener oder beschädigter Teile ist denkbar einfach, da IO-Link nach einem Wechsel die Sensoren automatisch parametriert. „Auspacken, montieren, anschließen und fertig!“ beschreibt Jamie Beneteau das Vorgehen. Der automatisierte Parameter-Download erfolgt über einen IO-Link-Master von Balluff, der für fehlerfreie Neukalibrierung sorgt. Für die Wartungsteams beim Kunden stiftet das faktischen Mehrwert: Keine komplizierte und langwierige Geräteeinstellung mehr, kurze Stillstandszeiten, da defekte Devices im laufenden Betrieb getauscht werden können. „Diagnostizierbarkeit bis auf Prozessebene macht die Fehlerbehebung effektiver! Das ist eindeutig auf die Verknüpfung der installierten E/A-Module zurückzuführen, die einfache Diagnose ermöglichen und die Verkabelung um mehr als 60% reduzieren“, weiß Jamie Beneteau. Fehlerbehebung in einer klassisch aufgebauten Pressensteuerungsarchitektur war laut Ritchie immer eine Herausforderung: „Die Umstellung auf IO-Link und der Wegfall des Schaltschranks am Stößel sind ein riesiger Vorteil. Dort tropft ständig Öl herab, die Fehlerbehebung an dieser Stelle war immer problematisch. Jetzt muss das Wartungspersonal nur noch selten auf die Leiter steigen.


Mit den via EtherNet/IP, Balluff IO-Link-Mastern und IO-Link-Slave-Geräten zur Verfügung gestellten Zustands- und Diagnosedaten lässt sich der gesamte Produktionsprozess messbar optimieren. "Dank IO-Link erkennt und dokumentiert die Anlagensteuerung nun die Ursachen für Ausfälle, Leerlaufzeiten, die Anzahl der Teile und welcher Anlagenbediener für den Produktionsablauf verantwortlich ist ", erklärt Jamie Beneteau. Laut Mike Hebert, Sales Manager bei Eagle Press, "erwarten immer mehr Kunden von ihren Anlagen ganz selbstverständlich Analysedaten, die im Rahmen von Industrie-4.0- oder Industrial Internet of Things-Projekten verwertbar sind." Selbst im Detail kritische Daten wie Gesamtanlageneffektivität (GAE) oder Overall Equipment Effectiveness (OEE) sowie Ausfallzeiten stehen via IO-Link und Ethernet nun einfach zur Verfügung.


Seit IO-Link fester Bestandteil der Pressensteuerung von Eagle Press ist, wurden in Nordamerika auf Basis dieser Technologie bereits 15 Anlagen gebaut und in Betrieb genommen. Jamie Beneteau ist überzeugt: „IO-Link hat nicht nur eine neue Maschinenoptik geschaffen und für ein einheitliches Design unserer Pressen gesorgt. Mit IO-Link lassen sich im Zuge der Konstruktion, bei Aufbau und Montage, bei Umbau und Wiederinbetriebnahme überaus flexible und modulare Lösungen realisieren.“ Mike Hebert ergänzt: „Seit der Umstellung unserer Pressen auf IO-Link von Balluff und der damit verbundenen Vereinfachung der Systemarchitektur sind die Serviceeinsätze drastisch zurückgegangen.“ Fazit: IO-Link bietet immense Vorteile für Hersteller, die mit ihren Maschinen Produktionsmengen erhöhen und Ausfallzeiten reduzieren möchten.


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