Bis 2050 sollen rund sieben Prozent des Stroms in der Schweiz mit Windenergie gedeckt werden. Gemäss Energiestrategie sind dies rund 4,3 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Von diesem Ziel ist die Schweiz heute noch weit entfernt: Die knapp 40 bestehenden Windanlagen produzieren lediglich 0,14 TWh und damit 0,3 Prozent unseres Stroms.
Optimale Verteilung von Windkraftstandorten gemäss dem aktuellen Windenergiekonzept. [Bild: Reto Spielhofer / ETH Zürich]
Rund 760 Windturbinen im Referenzszenario
Das Referenzszenario der Studienautoren orientiert sich am gültigen Windenergiekonzept der Schweiz, wo mögliche Räume zur Nutzung von Windenergie definiert werden. So dürfen etwa in Wäldern, auf Fruchtfolgeflächen und im Umkreis von schützenswerten Ortsbildern keine Windkraftanlagen gebaut werden.
Um im Jahr 4,3 TWh Windstrom zu erzeugen, bräuchte es in diesem Szenario rund 760 Windturbinen. Bei ihren Berechnungen gehen die Forschenden davon aus, dass möglichst wenig Windturbinen an möglichst wenigen, besonders windstarken Orten gebaut werden sollten.
Da es weder sinnvoll noch technisch möglich ist, an allen Standorten die gleichen Anlagen zu bauen, berücksichtigt die Studie für die Alpen eher kleine (100 Meter hoch, 39 Meter Rotorradius), für die Voralpen und den Jura mittelgrosse (125 Meter hoch, 67 Meter Rotorradius) und für das flache Mittelland die grössten und leistungsstärksten Windturbinen (150 Meter hoch, 73 Meter Rotorradius). Dabei gilt: Eine grosse Anlage in der Ebene des Mittellandes erzeugt bei voller Auslastung über doppelt so viel Strom, wie eine kleine Anlage in den Alpen.
Starker Ausbau in den Alpen notwendig
Von den rund 760 Windturbinen befänden sich 40 Prozent in den Bündner und Walliser Alpen. Diese 300 kleinen Anlagen würden aber nur gegen 20 Prozent der Jahresleistung produzieren. «Dies ist nicht optimal, da die Bau- und Betriebskosten von Windanlagen in den Bergen tendenziell höher sind als in der Ebene. Zudem empfindet die Schweizer Bevölkerung Windanlagen in unberührten, alpinen Naturlandschaften als besonders störend», erklärt ETH-Professorin Grêt-Regamey.
Rund die Hälfte der 4,3 TWh würden durch circa 260 der grössten Anlagen in den Ebenen des Mittellandes produziert werden. 80 Prozent davon befänden sich in den Kantonen Bern, St. Gallen, Luzern und Fribourg. Die verbleibenden 30 Prozent des bis 2050 jährlich geplanten Windstroms würden durch rund 180 Anlagen in den Voralpen gedeckt werden. Ein Grossteil dieser würden in den Kantonen Bern, Fribourg, St. Gallen und Appenzell-Ausserrhoden stehen.
Basierend auf diesen Berechnungen haben die Forschenden eine Karte erstellt, welche die ungefähre Verteilung der Windanlagen zeigt. «Die Punkte sollten als nationale Fokusgebiete und nicht als genaue Standorte für Windturbinen gelesen werden», sagt Reto Spielhofer, der Erstautor der Studie, der auch in der Forschungsgruppe von Grêt-Regamey forscht.
Besonders windstarke Gebiete nutzen
Als Teil des Referenzszenarios haben die Forschenden ausserdem 36 Standorte identifiziert, die sich besonders gut für die Erzeugung von Windstrom eignen würden. Ohne die Raumplanung anpassen zu müssen, könnten diese Standorte zusammen knapp 5 Prozent des jährlichen Bedarfs abdecken. Neun dieser Standorte liegen in den Kantonen Graubünden und Wallis, sechs in St. Gallen, fünf in Bern, jeweils zwei in der Waadt und in Fribourg und einer im Kanton Uri.
Dank Fruchtfolgeflächen 300 Windturbinen weniger
Die Studie der ETH-Forschenden untersucht auch, welche Auswirkung eine Lockerung raumplanerischer Vorgaben auf die regionale Verteilung von Windkraftanlagen hätte. So nehmen sie in einem Szenario an, dass auch Fruchtfolgeflächen für die Windkraft genutzt werden dürfen. «Uns ist bewusst, dass die Nutzung dieser Flächen äusserst umstritten ist, da es sich um sehr gutes Agrarland handelt, das hohe landwirtschaftliche Erträge abwirft», sagt ETH-Professorin Grêt-Regamey.
Nichtsdestotrotz wollten die Forschenden aufzeigen, welche Spielräume sich beim Ausbau der Windkraft ergeben, wenn man Fruchtfolgeflächen vor allem dort nutzen könnte, wo der Wind häufig und stark weht. Im Vergleich zum Referenzszenario wären schweizweit rund 300 Windturbinen weniger notwendig, um den geplanten Windstrom im Umfang von 4,3 TWh pro Jahr zu erzeugen.
Starke Konzentration im Westschweizer Mittelland
«Lockern wir die Raumplanungsvorschriften für Fruchtfolgeflächen, bräuchten wir in den Bündner und Walliser Bergen knapp 200 Windanlagen weniger als im Referenzszenario», erklärt Grêt-Regamey.
Nur etwas mehr als drei Prozent des jährlichen Zieles von 4,3 TWh Windstrom müssten in den Alpen und weniger als ein Prozent in den Voralpen und im Jura produziert werden. Über 96 Prozent würden hingegen von den grössten Turbinen in den Ebenen – vor allem im Westschweizer Mittelland – stammen. Von den insgesamt rund 460 Windturbinen in diesem Szenario befänden sich knapp über 40 Prozent im Kanton Waadt und je etwa 13 Prozent in den Kantonen Fribourg und Bern.
Dazu ETH-Professorin Grêt-Regamey: «Es gibt einen Trade-off zwischen der Anzahl Windturbinen und ihrer Verteilung: Wollen wir möglichst wenig Windanlagen – sowohl generell als auch speziell in den Alpen – müssen wir grosse, gut sichtbare Windturbinen dort bauen, wo es am meisten Wind hat: im westlichen Mittelland. Priorisieren wir hingegen den Schutz von Fruchtfolgeflächen, werden wir um den Ausbau in den Alpen nicht herumkommen.»