Wirtschaftlich sonnige Aussichten dank Prognosetool

Wirtschaftlich sonnige Aussichten dank Prognosetool
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Wird eine hohe Energieproduktion vorausgesagt, kann eine Firma ihre Produktion so steuern, dass die günstige erneuerbare Energie vom eigenen Dach bestmöglich genutzt wird.»
12.10.2024 | Wie viel Energie eine Photovoltaik-Anlage produziert, variiert von Tag zu Tag – je nach Wetterverhältnissen. Für Betreiberinnen und Betreiber kann es deshalb schwierig sein, abzuschätzen, mit welchen Stromerträgen sie rechnen dürfen. Doch um die Anlagen effizient zu nutzen und deren Wirtschaftlichkeit zu optimieren, sind möglichst präzise Prognosen wichtig, insbesondere für Energieversorgungsunternehmen. Zwei Absolventen des CAS Energie digital an der OST – Ostschweizer Fachhochschule haben ein neues Tool entwickelt, das die Energieerträge von Solaranlagen voraussagen kann.

Über eine Viertelmillion Photovoltaik-Anlagen gibt es in der Schweiz gemäss einer Schätzung von SWISSOLAR [pdf] – Kleinstanlagen nicht eingerechnet. Der Anteil Solarstrom am Schweizer Stromverbrauch ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Aktuell beträgt er 11.3 Prozent. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wird die Solarenergie eine immer bedeutendere Rolle spielen. Eine grosse Herausforderung bei deren Produktion ist allerdings die Variabilität und Unvorhersehbarkeit. Denn die Erträge sind massgeblich von den Wetterbedingungen abhängig und können dadurch stark schwanken.

 

Dimitri Gysin und Lukas Loser haben im Rahmen ihrer Weiterbildung an der OST – Ostschweizer Fachhochschule nach einer Lösung gesucht. Die beiden Absolventen des CAS Energie digital entwickelten als Projektarbeit ein PV-Portfolio-Prognosetool. Das Ziel: Betreiberinnen und Betreiber von Photovoltaikanlagen sollen ein Werkzeug erhalten, mit dem sie ihre Anlagedaten einfach und intuitiv verwalten und die Erträge präzise vorhersagen und übersichtlich visualisieren können. Damit lassen sich Effizienz und Rentabilität von Anlagen erhöhen.

 

 

Je genauer die Prognose, desto optimaler die Prozesse


Insbesondere für Energieversorgungsunternehmen sei es von enormer Bedeutung, zu wissen, wann welche Photovoltaik-Anlage wie viel produziere, sagt Lukas Loser. «Denn das hat unter anderem Einfluss auf den Kraftwerkeinsatz, die Stromfahrpläne und somit auch auf den Handel.» Produziert eine Anlage beispielsweise aufgrund optimaler Sonneneinstrahlung viel Strom, können die Energieversorger den Betrieb konventioneller Kraftwerke drosseln. Zudem sind sie durch präzise Vorhersagen in der Lage, einen detaillierten Plan zu erstellen, wann wie viel Strom ins Netz eingespeist beziehungsweise dem Netz entnommen wird. Diese sogenannten Stromfahrpläne sind wichtig, um die Netzstabilität sicherzustellen – und sie dienen nicht zuletzt auch als wichtige Grundlage für die Handelsaktivitäten. «Je genauer man das Portfolio einer PV-Anlage prognostizieren kann, desto optimaler können die genannten Prozesse durchgeführt werden», sagt Lukas Loser.  «Eine gute Prognose hilft damit sowohl den Stromerzeugern als auch den Endkundinnen und -kunden in finanzieller Hinsicht.»


Auch Firmen oder Private, die eine Photovoltaik-Anlage betreiben, würden von einem solchen Tool profitieren, sagt Dimitri Gysin. «Wird eine hohe Energieproduktion vorausgesagt, kann eine Firma ihre Produktion so steuern, dass die günstige erneuerbare Energie vom eigenen Dach bestmöglich genutzt wird.» Das spare Kosten und verringere die Amortisation der Photovoltaik-Anlage.


«Für Private gilt dasselbe», so Gysin. «Durch präzise Prognosen kann man den Einsatz von Geräten mit einem erhöhten Energieverbrauch dann planen oder das Elektroauto dann laden, wenn viel Energie zur Verfügung steht.»

 


Berührungsängste mit dem Programmieren abgebaut


Das PV-Portfolio-Prognosetool von Lukas Loser und Dimitri Gysin erstellt die Vorhersagen zur Energieproduktion auf der Basis meteorologischer Daten. Zudem berücksichtigt es unter anderem auch die spezifischen geografischen Koordinaten und die Neigung der Solarmodule. Die Arbeit erforderte Programmierkenntnisse, da die Daten zu Skripten in der Programmiersprache Python verarbeitet werden mussten. Mit Energieberechnungen waren die Autoren – beide verfügen über einen Bachelorabschluss in erneuerbarer Energie und Umwelttechnik – zwar bereits vertraut, mit Python oder anderen Programmiersprachen hatten sie jedoch wenig Erfahrung. Das entsprechende Wissen mussten sie sich deshalb zuerst aneignen.


«Dank dieser Projektarbeit konnten wir Berührungsängste mit dem Programmieren abbauen und schrecken nun im Arbeitsalltag weniger davor zurück, Herausforderungen diesbezüglich anzugehen und mit unseren neu erlangten Fähigkeiten zu lösen», sagt Dimitri Gysin.

 


Grundstein für Weiterentwicklung gelegt


Die beiden Absolventen des CAS Energie digital sind erfreut darüber, dass sie es geschafft haben, im eng bemessenen Zeitrahmen einen funktionierenden Prototyp auf die Beine zu stellen. Es gebe zwar bereits vergleichbare Tools und die bedeutendsten Unternehmen der Energiewirtschaft seien auch schon seit einigen Jahren darauf angewiesen, sagt Lukas Loser. «Jedoch werden solche Anwendungen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zukünftig an Wichtigkeit zulegen.» Wie Loser und Gysin in ihrer Arbeit festhalten, haben zudem viele bisherige Tools noch Potenzial, wenn es darum geht, komplexe Vorhersagedaten einfach zu visualisieren und zu interpretieren.


Auch bei ihrem eigenen Prognosetool sehen die beiden Verbesserungsbedarf. Das grösste Fragezeichen haben sie bei der Genauigkeit der Meteodaten. Einer ihrer Vorschläge lautet deshalb, die Prognosen bei einigen Anlagen mit Echtzeitdaten zu vergleichen und so die Genauigkeit zu prüfen. Eine weitere Option zur Optimierung sehen die beiden darin, weitere Meteodaten einzubinden. Mit ihrem Projekt haben sie jedoch schon einen wesentlichen Grundstein gelegt. Gut möglich, dass ihr PV-Portfolio-Prognosetool demnächst von anderen Studierenden im Rahmen einer Bachelor- oder Masterarbeit weiterentwickelt wird.

 


CAS Energie digital


Die Dezentralisierung der Energieproduktion führt zu einer Zunahme der Datenmenge. Die digitale Technologie begünstigt diese Veränderung – vor allem durch die Etablierung von Open Source Software und Open Source Hardware. Im CAS Energie digital setzen sich die Teilnehmenden vertieft mit Begriffen wie IoT, Data Science oder Smart Grid auseinander und erlangen die Fertigkeit für ein eigenständiges Arbeiten mit konkreten Anwendungen.


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