Sie schließen, öffnen, dosieren oder mischen: Magnetventile kommen millionenfach zum Einsatz, sei es in automatischen Schließsystemen für Türen, in Geschirrspülern, Heizungs- und Druckluftanlagen oder in der industriellen Produktion etwa von Lebensmitteln. Sie sind an sich zwar schnell und zuverlässig, aber meist auch ziemlich unflexibel: Sie kennen standardmäßig „auf“ und – oft recht hart im Anschlag – „zu“. Sollen sie sich jedoch langsam oder besonders schnell öffnen, eine bestimmte Stellung halten oder soft und geräuschlos am Anschlag landen, wird es teuer: In diesem Fall müssen zusätzliche Sensoren rein in das System, was den Einbau von Technikkomponenten samt Kabelaufwand nötig und die Sache kompliziert macht. Im Betrieb verbrauchen diese Sonderanfertigungen dann mehr Strom. Soll eine Schließvorrichtung dabei eine Stellung halten, wie „auf“ oder „zu“ – wie bei mancher Brandschutztür – kann dies permanenten Stromverbrauch bedeuten, wobei in Summe einiges zusammenkommt.
Komplett ohne weitere Sensoren kommt das nachhaltige Verfahren aus, das die Forschungsgruppe von Professor Matthias Nienhaus an der Universität des Saarlandes entwickelt hat. Vor allem bei Systemen, die permanent Strom brauchen, um eine Position wie „auf“ oder „zu“ zu halten, kann es den Energiebedarf minimieren. Alles, was das Verfahren benötigt, ist ein magnetisch leitfähiger Metallbolzen in einer Spule aus gewickeltem Kupferdraht und einen kleinen Mikrochip: „Wir brauchen nichts Zusätzliches. Wir nutzen nur die Originalkomponenten eines einfachen Hubmagneten“, erklärt Matthias Nienhaus. Das macht die Technologie auch in rauer Umgebung einsatzfähig. „Hier kommen Systeme, die auf Sensoren angewiesen sind, oft an ihre Grenzen, etwa wenn Öl oder Bremsflüssigkeiten ins Spiel kommen“, sagt der Antriebstechniker.
Allein, indem sie den Strom auswerten, der durch die Spule fließt, um den Ventilkolben zu bewegen, erkennen die Saarbrücker Forscher die Lage des Kolbens und können diesen schnell und zielsicher ansteuern. Der Strom selbst liefert den Ingenieuren alle hierzu nötigen Informationen. „Wir überwachen hierfür die Induktivität. Dafür nutzen wir den zeitlichen Stromverlauf in der Wicklung, das heißt: Wir messen Spannung und Strom, schauen uns Schwankungen über einen bestimmten Zeitraum an, werten diese aus und beobachten darüber den magnetischen Zustand“, erklärt Doktorand Niklas König, der im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Matthias Nienhaus an diesem Verfahren forscht.
Der magnetische Zustand und damit die Stromschwankungen verändern sich je nachdem, wo sich der Kolben gerade befindet. „Dadurch wissen wir immer genau, wo er steht. Diese Lageerkennung macht es uns gleichzeitig möglich, den Bolzen effektiv und positionsgenau anzusteuern“, erklärt Niklas König. Das heißt: Die Antriebstechniker können den Kolben nach Belieben langsam oder sehr schnell bewegen – oder zwar schnell, aber kurz vor dem Anschlag soft. Dafür haben die Forscher Bewegungsabläufe modelliert und können mithilfe intelligenter Algorithmen die Kolbenstellungen individuell programmieren. Auch lässt sich so überwachen, ob eine bestimmte Stellung des Bolzens eingehalten wird, also zum Beispiel, ob das Ventil auch wirklich zu ist, was eine integrierte Sicherheitsüberprüfung möglich macht. Dies alles erweitert zugleich die möglichen Anwendungsbereiche der Technik.
Professor Dr. Matthias Nienhaus. [Foto: Oliver Dietze/Universität des Saarlandes]
Es ist ein elegantes Verfahren, das zugleich kostengünstig ist. „Unsere Technologie funktioniert aus einem Guss samt der dazu gehörenden Mikroelektronik“, erläutert Matthias Nienhaus. Der Chip, den sie entwickelt haben, enthält die gesamte patentierte Technologie und übernimmt zentrale Teile der Ansteuerung. Er lässt sich verhältnismäßig leicht einbauen und der Strombedarf ist relativ gering. „Im Gegenteil lässt sich hierdurch Strom einsparen. Während bei ungeregelten Systemen etwa das Halten eines Zustands permanent Bestromung bedeutet, was auch Akkus und Batterien schnell entleert, genügt hier für die richtige Stellung ein Stromimpuls. Für das Halten selbst benötigen wir nur minimale Energie“, erläutert er.
Hinter all dem steht eine ausgeklügelte Technik. So sind etwa die Signale, die die Forscher aus der Spule erhalten, für sich gesehen alles andere als aussagekräftig, vielmehr sind sie stark verrauscht. „Wir glätten diese Signale mithilfe einer eigens entwickelten, patentierten Methode“, erklärt Nienhaus. Die Antriebstechniker filtern die eigentlichen Messsignale heraus. „Man kann es in etwa damit vergleichen, als würde man bei einer Autofahrt, bei der der Wagen mal schnell, mal langsam fährt, ständig die mittlere Geschwindigkeit berechnen“, verdeutlicht Nienhaus. Aus den Ergebnissen können die Forscher präzise rückschließen, wo der Bolzen in der Wicklung steht. „Es entsteht ein praktisch unverrauschtes Messsignal. Und dieses können wir nutzen, um den Bolzen zu positionieren, sogar noch ein Stück außerhalb der Spule“, erläutert er.
Auf der Hannover Messe (17. bis 21. April, Halle 002, Stand B34) zeigen die Ingenieure ihr Verfahren und demonstrieren dessen Präzision und Dynamik, indem sie eine schwebende Stahlkugel so ansteuern, dass sie nach Belieben auf und ab schwebt: nur mit Stromsteuersignalen, ohne zusätzliche Sensoren.