

Physiker Belal Alnajjar (links) und Elektroingenieur Anh Chu vom Start-up SpinMagIC arbeiten in den Labors an der Universität Stuttgart. [Kathleen Spilok]
Teamwork in Stuttgart und Berlin, um tragbaren Quantensensor zu entwickeln
Der Startschuss für die Förderung durch das BMWK fiel am 1.Oktober 2024. Nun haben die vier Gründer zwei Jahre Zeit, ihr Spin-off erfolgreich zu machen. Unterstützt werden die Doktoranden durch das Institut für Entrepreneurship (ENI), die Technologie-Transfer-Initiative TTI GmbH und das Transfercenter TRACES der Universität Stuttgart sowie die Landesinitiative „NXTGN“ (ehemals Gründermotor). Die drei Doktoranden aus Stuttgart und Berlin arbeiten schon seit einigen Jahren in unterschiedlichen Projekten zusammen und kennen sich sehr gut. Jakob Fitschen stieß vor einem halben Jahr dazu. Teamwork ist das A und O bei der Entwicklung des hochkomplexen tragbaren Quantensensors.
SpinMagIC setzt auf Quantensensoren, mit denen sich reaktionsfreudige Moleküle, freie Radikale, ermitteln lassen. Jedes Material, das ungepaarte Elektronen hat, kann mit dem Sensor quantitativ vermessen werden. Freie Radikale lassen zum Beispiel Haut schneller altern. Sie sind ebenso verantwortlich dafür, dass sich Lebensmittel zersetzen. Um freie Radikale messbar zu machen, gibt es die ESR – „bereits seit 80 Jahren“, merkt Anders an. Bislang war deren Nutzung begrenzt, weil die Geräte zu sperrig waren mindestens eine Tonne wogen und mehrere Hunderttausend Euro kosteten. Auch verfügbare Tischgeräte wiegen etwa 120 Kilogramm und sind sehr teuer. Ein Flaschenhalsproblem, das effiziente Abläufe oder die breite Anwendung infrage stellt. Das ändert sich jetzt schlagartig: Miniaturisierung ist das Zauberwort. Denn alles, was die Forscher für die Messung von Haltbarkeiten brauchen, ist ein kleiner Permanentmagnet und ein Mikrochip mit integriertem Schaltkreis.
Haltbarkeitsmessung von Flüssigkeiten anhand freier Radikale
Wie funktioniert die Messung? Tatsächlich ist der Microchip nicht mehr als einen Quadratmillimeter klein. Er besteht aus Hochfrequenz-Schaltkreisen, die die ungepaarten Elektronen anregen und deren Quantenantwort erfassen. Für den Messvorgang schalten die Forscher eine Mikropumpe ein, die die Probe auf den Chip transportiert oder tauchen den Sensor direkt in die zu messende Flüssigkeit. Eine Anzeige verrät, wie groß die Menge an freien Radikalen in der Probe ist. „Dieser Ansatz von 3D-gedruckten Strukturen aus leichtem Filament ermöglicht einen kostengünstigen Weg zur Realisierung von leistungsstarken Resonanzmagneten“, hebt der Physiker Alnajjar hervor. Vor dem Druckprozess hat er zahlreiche Simulationen durchgeführt, um nach der besten Option zu suchen. Rund 40 Gramm wiegt der Magnet aus dem 3D-Drucker jetzt. Das Innere des Magneten besteht aus Ringen. „Die Ringe sind so gewählt, dass das Magnetfeld sehr homogen wird“, weiß Alnajjar. Das geringe Gewicht und die hohe Qualität sind Schlüsselfaktoren für diese Magnete.
Auf die Wortschöpfung SpinMagIC – drei Bestandteile der Messung – sind die Forscher stolz: Spin steht für die Elektronen, die einen eigenen Drehimpuls mitbringen, Mag für Magnet, der die Messung ermöglicht und IC für den integrierten Schaltkreis. Die Aufgabenteilung ist klar: „Wir in Stuttgart sind für die Entwicklung der Kerntechnologie verantwortlich“, betont Elektrotechniker Chu. Dies sind der Permanentmagnet und die Leiterplatte, die einen winzigen chip-integrierten Quantensensor trägt. Segantini, der Physiker in Berlin, kümmert sich um die Anwendungen anhand erster Beispiele, etwa der Messung von Lebensmittelhaltbarkeit. Er hat insbesondere gute Verbindungen in die Olivenölproduktion. Geplant ist, das Endprodukt in zwei Jahren marktreif zu haben und erste Pilotkunden zu akquirieren, die es testen wollen. „Extrem klein und extrem preiswert mit einer sehr hohen Messgenauigkeit“, hebt Chu die hohen Anforderungen der Lebensmittelindustrie und somit auch ihren Ansporn hervor.
Einsatz von Lebensmittelindustrie über Pharmazie bis Umweltverschmutzung
Das Verfahren kann auch genutzt werden, um den Zustand von Akkus zu bestimmen. Folgen könnten außerdem Katalyseprozesse, die häufig in der chemischen Industrie für die Polymerisation von Molekülen angewendet werden. Auch Prozesse aus der pharmazeutischen Industrie sind denkbar, ebenso Verschmutzungen in der Luft oder in Wasser. „Für die kommenden zwei Jahre haben wir ein festgelegtes Budget vom BMWK“, so Chu. Hierfür ist die Finanzierung der Ausgründung also gesichert. „Aber anschließend sind wir offen für Wagniskapitalgeber oder private Investoren.“
Noch passen die Teile nicht in eine Smartwatch. Aber die Forscher haben sich vorgenommen, die Gerätschaften für die Messung langfristig in einem noch kleineren Tool unterzubringen.