Beim Bau von Flugzeugturbinen ist Präzision gefragt – schließlich muss dieser Teil des Triebwerks für die richtige Schubkraft sorgen und widrigen Bedingungen standhalten. Das Schaufelrad, das aussieht wie ein Ventilator und später mit seinen diffizil gebogenen Blättern Luft in die Turbine zieht, wird ausgefräst: Überschüssiges Metall wird abgetragen. Ein kompliziertes Unterfangen. Denn beim Fräsen kommt mitunter Bewegung ins Spiel. Läuft der Prozess mit seinen vielen Stellschrauben nicht absolut rund, beginnt ein Schaufelblatt zu schwingen und durch die Vibrationen haut die Fräse Macken ins Metall. Bei einem Bauteil, das durch kleinste Ungenauigkeiten unbrauchbar wird, ein teures Missgeschick. „Solche Fehlproduktionen sind für Triebwerkhersteller kritisch, sie führen zu hohen Kosten“, sagt Professor Wolfgang Maaß, Wirtschaftsinformatiker der Universität des Saarlandes, der am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) die Forschungsgruppe Smart Service Engineering leitet.
Ganz ähnlich ergeht es Industrie wie Mittelstand mit ungezählten Metallbauteilen – auch mit solchen, die mit dem Laser ausgeschnitten werden. Durch die extreme Hitze, die dabei entsteht, kann sich das Metall auch an Stellen ausdehnen, wo es das nicht tun soll. Oder Teile fallen ab, verhaken sich und die Maschine steht still. Auch hier: Ausschuss und Produktionsausfall – Material, Zeit und Geld gehen verloren. „Die metallverarbeitende Industrie zählt deutschlandweit wie EU-weit zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Sicherheits- und Qualitätsanforderungen sind hoch. In der Fertigung lebt man mit einem Ausschuss von etwa einem Prozent – das hört sich wenig an, ist aber in Summe ein großer Faktor auch für die Wettbewerbsfähigkeit“, erklärt Wolfgang Maaß.
Die Lösung heißt: Simulation. Digitalisierung und künstliche Intelligenz können helfen. An einem digitalen Zwilling des Werkstücks ließe sich alles durchexerzieren, was beim echten Bauteil später real passiert: von der Planung über die Fertigung bis hin zur Sicherung der Qualität. Alles könnte kontrolliert ablaufen, alle Stellschrauben zu hundert Prozent optimal gestellt werden, von der perfekten Drehzahl beim Fräsen bis hin zur passgenauen Leistung des Lasers. – Aber das Ganze hat einen Haken: Der Rechenbedarf solch hochauflösender Simulationen ist durch die Datenmassen gigantisch und zwingt heutige Computer in die Knie. Quantencomputer, die die nötige Rechenpower aufbrächten, sind noch nicht so weit. Folge: „Simulationen werden in der Praxis selten genutzt. Weil der Rechenbedarf zu hoch ist und weil dafür eine Vielzahl sehr spezieller Daten und Informationen benötigt wird, was zugleich hochspezialisiertes Knowhow voraussetzt“, erklärt Doktorandin Hannah Stein aus Maaß´ Forschungsteam. Industrie und Mittelstand begnügen sich also mit grober Scha¨tzung beim digitalen Zwilling und setzen in Produktion und Fertigung auf die Erfahrung und das Expertenwissen ihrer Fachleute.
Bis Quantencomputer den „Warp-Antrieb“ zum Blitzrechnen großer Datenmengen zünden, ist zwar noch ein gutes Stück zu gehen. Aber was die Forschungspartner im Projekt Quasim erarbeiten, ist keine Zukunftsmusik. Die Partner aus Wissenschaft und Praxis arbeiten daran, die Leistungskraft der Quanten für die Simulation in der Fertigung kurz- und langfristig nutzbar zu machen. „Unsere ersten Untersuchungen haben gezeigt, dass quantenmechanische Funktionsprinzipien und quantenbasiertes maschinelles Lernen die algorithmischen Fragestellungen besser und signifikant schneller lösen können“, sagt Projektkoordinator Wolfgang Maaß. „Die heutigen Quantencomputer sind zwar noch in den Kinderschuhen, ihre Technologien aber können schon dort Einsatz finden, wo herkömmliche Computer an ihre Grenzen stoßen und immens viel Zeit beim Rechnen brauchen“, erklärt der Wirtschaftsinformatiker.
Die Forscherinnen und Forscher erproben verschiedene Quantencomputing-Methoden, um die Simulationen zu beschleunigen und praxistauglich zu machen. Hierzu kombinieren sie heute übliche Simulationsverfahren wie physikalisch-materialwissenschaftliche Modelle und mathematische Gleichungssysteme mit Quantencomputing-Technologien. Außerdem untersuchen sie auf Quanten basierende Methoden maschinellen Lernens. Sie vergleichen ihre Ansätze mit den herkömmlichen Methoden, testen die verschiedenen Lösungswege parallel gegeneinander und erarbeiten innovative Lösungen, die schon in naher Zukunft einsetzbar sein könnten. Hierzu integrieren sie ihre Ergebnisse in heute existierende Simulationsverfahren. „Wir erarbeiten hierfür erste Prototypen. Insbesondere hybride Modelle, die die verschiedenen Verfahren, Quantentechnologien und maschinelles Lernen kombinieren, erweisen sich nach den bisherigen Ergebnissen als vielversprechend“, sagt Forscherin Hannah Stein.
Bei allem verwenden die Wissenschaftler Daten aus der echten Fertigung. So kann schon bald etwa der Triebwerkhersteller mit den quantencomputergestützten Simulationen Vibrationen des Schaufelblatts beim Fräsen vorhersehen und dank eines digitalen Zwillings die Parameter wie Schnelligkeit der Fräse exakt einstellen, so dass keine Ungenauigkeit für Ausschuss sorgt. Und auch der Laser schneidet dann dank Simulation mit der richtigen Hitze und Bearbeitungsreihenfolge perfekte Metallbauteile. Auf der Hannover Messe demonstrieren die Saarbrücker Wirtschaftsinformatikerinnen und Wirtschaftsinformatiker am Beispiel von Fräsen und Laserschneiden, wie herkömmliche Fertigung durch quantengestützte Simulationen ergänzt, und so die Prozesse beschleunigt und die Qualität verbessert werden kann.
Bei QUASIM, kurz für „QC-Enhanced Service Ecosystem for Simulation in Manufacturing“, kooperiert die Forschungsgruppe von Wolfgang Maaß an der Universität des Saarlandes und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) mit der Gruppe von Professor Frank-Wilhelm Mauch am Forschungszentrum Jülich und der Universität des Saarlandes, dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT), dem Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf, dem Softwarekomponentenanbieter ModuleWorks und den assoziierten Partnern Ford und dem Triebwerkshersteller MTU Aero Engines. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) fördern die Forschung im Gesamtvolumen von über fünf Millionen Euro.