Schon als Gordon Gould 1957 die Abkürzung Laser für «Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation» schuf, stellte er sich die Einsatzmöglichkeiten in der Medizin vor. Berührungslos und präzise könnten Chirurginnen und Chirurgen damit Schnitte setzen.
Bis dahin waren und sind noch viele Hürden zu überwinden: Manuell bediente Lichtquellen wurden durch mechanische und computergesteuerte Systeme abgelöst, um Verletzungen durch ungenaue Handhabung zu reduzieren. Kontinuierliche Strahlen ersetzte man durch sich schnell an- und abschaltende, sogenannte gepulste Laser und konnte so die entstehende Hitze reduzieren. Dank technischer Fortschritte hielten Laser Anfang der 1990er-Jahre Einzug in die Augenheilkunde. Inzwischen kommt die Technologie auch in anderen medizinischen Bereichen vor, sie hat Skalpelle und Knochensägen aber nur für relativ wenige Anwendungen abgelöst.
Vor allem Sicherheitsfragen stellen eine Hürde dar: Wie lässt sich verhindern, dass umliegendes Gewebe verletzt wird? Wie exakt lässt sich die Schnitttiefe kontrollieren, damit nicht ungewollt tiefer liegende Schichten beeinträchtigt werden?
Einen wichtigen Beitrag für den sicheren und präzisen Einsatz von Lasern haben nun Forschende der Universität Basel im Fachjournal «Lasers in Surgery and Medicine» veröffentlicht. Das Forschungsteam um Dr. Ferda Canbaz am Departement Biomedical Engineering in Basel und Prof. Dr. Azhar Zam, ehemals Universität Basel, heute an der New York University, hat ein System entwickelt, das drei Funktionen kombiniert: Es schneidet Knochen, kontrolliert die Schnitttiefe und unterscheidet verschiedene Gewebe.
Drei Laser auf einen Punkt
Alle drei Funktionen beruhen auf Lasern, die parallel auf den gleichen Punkt gerichtet werden. Der erste Laser dient als Gewebesensor, indem er die Umgebung des geplanten Knochenschnitts scannt. In regelmässigen Abständen bestrahlt dieser Laser die Oberfläche und vaporisiert dabei eine winzige Gewebeprobe. Deren Zusammensetzung misst ein Spektrometer: Jedes Gewebe hat ein individuelles Spektrum, also eine eigene Signatur. Ein Algorithmus verarbeitet diese Daten und erstellt eine Art Karte, wo sich der Knochen befindet und wo weiches Gewebe ist.
Erst anschliessend wird der Laser aktiv, der Knochen schneidet. Und zwar nur dort, wo die zuvor erstellte Karte Knochen und kein weiches Gewebe verzeichnet. Gleichzeitig misst der dritte Laser – ein optisches System – die Schnitttiefe und kontrolliert, dass der Schnitt-Laser nicht tiefer schneidet als geplant. Auch der Gewebesensor überprüft während des Schneidens immer wieder, dass das korrekte Gewebe geschnitten wird.
Autonome Kontrolle
«Das Besondere an unserem System ist, dass es sich ohne menschliches Zutun selbst kontrolliert», fasst Laserphysikerin Ferda Canbaz zusammen.
Getestet haben die Forschenden ihr System bisher an Oberschenkelknochen und -gewebe von Schweinen, die von lokalen Metzgern stammen. So konnten sie nachweisen, dass ihr System bis auf Bruchteile von Millimetern genau arbeitet. Auch die Geschwindigkeit des Kombi-Lasers nähert sich der eines konventionellen chirurgischen Eingriffs.
Das Forschungsteam arbeitet derzeit daran, das System zu verkleinern. Etwa die Grösse einer Streichholzschachtel haben sie bei der Kombination des optischen Systems und des Schnittlasers bereits erreicht (siehe Publikation). Die Integration des Gewebesensors und weitere Miniaturisierung soll letztlich dahinführen, dass das System in einer Endoskopspitze Platz hat, um minimalinvasive Operationen zu ermöglichen.
Schonendere Chirurgie
«Laser vermehrt in der Chirurgie einzusetzen wäre aus verschiedenen Gründen erstrebenswert», betont Dr. Arsham Hamidi, Erstautor der Studie. Berührungsloses Schneiden reduziere etwa das Risiko für Infektionen. «Kleinere und präzisere Schnitte lassen zudem das Gewebe schneller heilen und reduzieren die Narbenbildung.»
Knochen kontrolliert mit Lasern zu schneiden ermöglicht ausserdem, neue Schnittformen einzusetzen, durch die sich beispielsweise ein Knochenimplantat physisch mit dem bestehenden Knochen verzahnen liesse. «Vielleicht könnte man sich Knochenzement damit eines Tages komplett sparen», fügt Ferda Canbaz hinzu.
Aber auch in anderen Bereichen der Chirurgie wäre ein solches Kombi-System sinnvoll: Womöglich liessen sich damit Tumore exakter vom umliegenden gesunden Gewebe unterscheiden und herausschneiden, ohne unnötig viel benachbartes Gewebe zu entfernen. Eines steht fest: Die Verwirklichung von Gordon Goulds Vision vom Laser als vielseitig einsetzbarem Werkzeug in der Medizin rückt immer näher.
Autorin: Dr. Angelika Jacobs