Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Fraunhofer IZM traf sich RealIZM, der Wissenschaftsblog für Mikroelektronik des Instituts, mit Prof. Dr.-Ing. Martin Schneider-Ramelow. Der Institutsleiter gibt einen umfassenden Einblick in die Zukunft der Mikroelektronik sowie in aktuelle und geplante Forschungsaktivitäten.
RealIZM: Wie stellen Sie sich die Zukunft der Mikroelektronik vor? Welche wichtigen Trends werden Ihrer Meinung nach die kommenden Jahre prägen?
Tatsache ist, dass wir in Europa nicht die Logik- und die Memory-Bausteine mit den feinsten Strukturbreiten innerhalb der Halbleiter (Nodes) produzieren werden, selbst wenn große Hersteller wie Intel oder TSMC sich hier ansiedeln wollen. Auf diesem Gebiet sind bekanntlich nur einige wenige große internationale Hersteller tätig, die den Maschinenpark und Aufwand betreiben können, um Nodes kleiner als 5 nm herzustellen. Aber es wird immer wichtiger, diese Bauelemente mit anderen Bausteinen, die andere innere Strukturen aufweisen, mit Sensorik, Leistungselektronik, Spannungsversorgung usw. zusammenzubringen.
Am Fraunhofer IZM forschen und arbeiten wir bereits seit vielen Jahren an der 2,5D-/3D-Hetero-Integration. Die Ausstattung und die Möglichkeiten, die unser Institut zur Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet hat, sind einzigartig in Europa. Das hat mich bestärkt, dem Haus solange verbunden zu bleiben und den Ruf als Institutsleiter anzunehmen.
Einige Firmen sprechen bereits von der 5,5D-Hetero-Integration. Gemeint ist die Kombination aus 2,5D und 3D. Das heißt, Chips werden übereinandergestapelt und elektrisch miteinander verbunden und zusätzlich auf einem Interposer oder organischen Substrat miteinander verbunden, auf dem sich weitere Bauelemente sowie Halbleiter oder Chiplets befinden. Beim Packaging zeichnet sich der Trend ab, immer weiter in die Breite und Höhe zu gehen. Unser Institut für Mikrointegration ist in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Unser Ziel ist, hierbei auch weiterhin eine Vorreiterrolle einzunehmen.
RealIZM: Welche Anwendungsbereiche treiben die 2,5D-/ 3D-Hetero-Integration maßgeblich voran?
Es sind genau die Schlagwörter, die seit 3 bis 5 Jahren in der Fachwelt zu hören sind. Die Nachfrage nach Hochleistungsanwendungen im Zusammenhang mit Rechenzentren, High Performance Computing (HPC), Quantencomputing und neuromorphem Rechnen, Smart Sensing, Optoelektronik, 5G- und 6G-Kommunikation, Künstlicher Intelligenz (KI) und auch dem Autonomen Fahren steigt stetig an.
Zum einen treibt das Training und die Inferenz der KI die Nachfrage nach Servern für Rechenzentren an. Zum anderen werden zunehmend mehr Supercomputer eingesetzt, um komplexe Aufgaben wie z.B. die Darstellung digitaler Zwillinge und Berechnungen für die Klimaforschungen und Quantenmechanik auszuführen. Nicht zuletzt erfreuen sich Cloud-Computing und Video-Streaming zunehmender Beliebtheit. Bei all diesen Anwendungen entstehen extrem viele Daten. Deren Verarbeitung und Übertragung erfordert ein viel besseres Computing. Mit der 3D-Hetero-Integration leistet das Fraunhofer IZM einen wichtigen Beitrag dazu.
RealIZM: Wenn die Leiterbahnen zukünftig noch enger, die Via-Durchmesser noch kleiner und die Wafer-Dicken noch dünner werden – wann erreichen wir die Grenze des physikalisch Möglichen?
Im Zusammenhang mit dem Mooreschen Gesetz hieß es vor einigen Jahren, dass mit den feinen inneren Strukturen langsam Schluss sein wird. Einige führende Hersteller haben angekündigt, in Zukunft auf Nodes von kleiner 5 nm zu setzen. Vor einigen Jahren konnte sich das noch niemand vorstellen. Auch bei den feineren Strukturen auf der Leiterplatte also den organischen Substraten zeichnet sich ein neuer Trend bei den feineren Strukturen ab, der den unteren einstelligen Mikrometer-Bereich anstrebt. Noch ist das nicht State-of-the-Art. Ich bin überzeugt, dass die Kolleg*innen an unserem Institut diese Thematik maßgeblich weiter vorantreiben werden. Der Grundstein, in noch kleinere Bereiche vorzudringen, ist bereits gelegt. Zum einen wenden wir neue Technologien wie das Hybrid-Bonding an. Zum anderen stehen uns dank großer Forschungs- und Fördermaßnahmen zahlreiche neue Geräte zur Verfügung, mit denen sich noch kleinere Strukturen umsetzen lassen.
Seit 2022 ist das Fraunhofer IZM mit dem QuantumPackagingLab eine der führenden Anlaufstellen für die Entwicklung zuverlässiger Packaging-Ansätze rund um die Quantenphotonik. Unsere Expert*innen für optische Verbindungstechnik verfügen beispielsweise über einen speziellen 3D-Drucker zur Laserbearbeitung von Glas mit einer Genauigkeit von etwa 1 µm bei 200 x 200 mm. Nach unserer Kenntnis sind bisher nur 10 Maschinen weltweit in diesem Forschungskontext im Einsatz. Das Gerät ist für vier Verfahren ausgelegt: selektives laserinduziertes Ätzen von Glas, Schweißen von Glas, Schreiben von 3D-Wellenleitern und 2-Photonen-Polymerisation. Normalerweise ist für jeden dieser Prozesse eine einzelne Maschine notwendig.
Quantentechnologien und Highspeed-Rechner mit Supraleitern gehören zu den aktuellen Elektronik-Trends. Doch sind die Strukturen, mit denen etwa Qubits auf Chips angesteuert und in Echtzeit ausgelesen werden können, bislang noch größer als die Qubits selbst. Eine Forschungsgruppe unseres Instituts hat jüngst einen Prozess entwickelt, mit dem sie die Anschlussdichte mit Indiumbumps im Vergleich zu bisherigen Lösungen verdoppeln. Mit dieser Technologie wollen sie nun die Ansteuerelektronik optimieren. Zusätzlich haben wir an unserem Berliner Standort ein Kryomesslabor eingerichtet, mit dem die Leistungsfähigkeit der Elektronikaufbauten bei Temperaturen von wenigen Kelvin getestet werden kann.
Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, wir werden irgendwann tatsächlich nicht mehr kleiner werden können. Letztendlich wird die bereits von Rack zu Rack genutzte photonische Datenübertragung auch direkt in die Leiterplatten gehen sowie von Chip-to-Chip erfolgen. Daran arbeiten wir bereits seit einigen Jahren.
RealIZM: Vor einigen Wochen haben die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) und Intel gemeinsam mit Schlüsselakteuren der deutschen Industrie eine Roadmap 2030+ für die Forschung im Bereich der 3D-Integration vorgestellt. Welchen Beitrag wird das Fraunhofer IZM dafür leisten?
Einerseits hat unser Institut eine wichtige Rolle bei der Gesprächsanbahnung mit Intel gespielt. Wir arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen. Der jetzt vorgestellte Forschungsfahrplan wurde in einer Reihe von Workshops erarbeitet, die von der FMD und Intel Europe Research organisiert wurden. Der erste Workshop fand bei uns in Berlin am Fraunhofer IZM statt.
Andererseits haben wir aktiv an der Entwicklung der Roadmap mitgewirkt und bereiten gemeinsam mit den beteiligten Akteuren die Grundlagen der zukünftigen Mikroelektronik vor. Es ist von großer strategischer Bedeutung, dass der Standort Europa nicht den Anschluss verliert und zukünftige Entwicklungen im Schulterschluss mit Industriepartnern gefördert und vorangetrieben werden. Über Chiplets wird seit vielen Jahren geredet. In der Produktion sind aber weltweit erst kleine Mengen. Wir sind noch weit davon entfernt fertige Chipletlösungen zu liefern, aber der Fahrplan für die Umsetzung in den kommenden Jahren steht.
Für den Einsatz im Automotive-Bereich müssen zukünftig Nodes mit feinsten Strukturen mit Sensorik, MEMs, photonischen Elementen, LiDAR sowie Radar und vielem mehr kombiniert werden. Die dabei entstehenden Datenmengen müssen verarbeitet werden. Wir am Fraunhofer IZM sind davon überzeugt, dass dies zukünftig nur mit Chiplets möglich sein wird. Die Halbleiter und Komponenten aus den verschiedenen Fabs, von den Fraunhofer-Instituten oder anderen europäischen Forschungs- und Technologieorganisationen (RTOs) müssen ganz eng auf kleinstem Raum miteinander verbunden werden. Technologien wie unser Panel Level Packaging spielen dabei eine wichtige Rolle. Fakt ist, am Ende muss alles auf ein Substrat integriert werden, um die Chiplets mit den anderen Komponenten zu verbinden. Bevor eine Massenfertigung starten kann, sind zentrale Fragen zu klären: Wer sind die möglichen Abnehmer für diese Bausteine? Welche Kooperationsmöglichkeiten mit der Industrie gibt es in Deutschland und in Europa?
RealIZM: Auf der aktuellen Institutsbroschüre ist eine Visualisierung eines High-End Performance Packages (HEPP) abgebildet. Was hat es mit dieser Abbildung auf sich und was genau macht ein HEPP aus?
Die Grafik visualisiert, wie verrückt die Systeme werden, wenn sie hochfunktional sein sollen und welche Technologien dafür notwendig sind. Wir zeigen fiktiv auf, was heute bereits alles beim High-End Performance Packaging gemacht wird und wo unser Institut auf dem Gebiet der Hetero-Integration aktiv ist. Wir bringen Chips auf und in die Leiterplatte. Wir bauen Interposer, stapeln Chips und verarbeiten MEMS in Systemen. Wir kümmern uns um das Cooling, Antennen und die Datenübertragung. Das Fraunhofer IZM ist das Packaging-Institut in Deutschland, Europa und weltweit.
Die derzeitige Herausforderung besteht darin, dass die Industrie neue Maßstäbe setzt, was die feineren Strukturen, Mikro-Bumps, Fine Lines und Spaces angeht. Um hierbei mitzuhalten und selbst Innovationen zu liefern, benötigen wir die neuesten Maschinen und Messtechniken. Unser Beitrag ist es, Systeme zu entwickeln und aufzubauen, die die Industrie dann produzieren kann. Während wir das Gesamtkonzept betrachten, konzentrieren sich die Firmen auf bestimmte Entwicklungsbereiche z.B. auf das Packaging, die Entwicklung des Chip-Designs oder die Herstellung von Chips, MEMS oder Sensoriken. Aus diesen einzelnen Bausteinen muss am Ende jedoch ein funktionsfähiges System entstehen.
Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen den Herstellern der Materialen, Maschinen, Komponenten und den Spezialisten der Aufbau- und Verbindungs-Technik. Als anwendungsorientiertes Forschungsinstitut ist unser Ansatz, zu verstehen, was die jeweilige Anwendung für Bedarfe und Anforderungen an Technologien, Komponenten und Materialien sowie Zuverlässigkeit hat. Bei den Vorbereitungen für den Europäischen Chips Act (ECA) stehen wir im Zentrum aller Aktivitäten.
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Hintergrundinformation zu Prof.
Dr.-Ing. Martin Schneider-Ramelow
Prof. Dr.-Ing. Martin Schneider-Ramelow, Institutsleiter des Fraunhofer IZM. © Fraunhofer IZM
Hintergrundinformation zu Prof. Dr.-Ing. Martin Schneider-Ramelow Professor Martin Schneider-Ramelow hat sich als einer der führenden Mikroelektronik-Forscher und -Lehrer in Deutschland etabliert. Seit 2014 hat er eine Honorarprofessur an der TU Berlin und seit Januar 2017 die Professur für “Werkstoffe der Hetero-Systemintegration“ am Institut für Hochfrequenz- und Halbleiter-Systemtechnologien der Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik der TU Berlin inne und leitet den Forschungsschwerpunkt Technologien der Mikroperipherik.
Seit 2023 ist Martin Schneider-Ramelow Institutsleiter am Fraunhofer IZM und befasst sich mit der thematisch-strategischen Ausrichtung der Institutsaktivitäten, der Weiterentwicklung des Instituts im Rahmen der European Chips Act Initiative und der Vertiefung der Kooperation mit Universitäten und Instituten. Darüber hinaus sind ihm die über 400 Mitarbeitenden und deren Weiterentwicklung sehr wichtig. Als Professor betreut er zudem zahlreiche Promovenden und Graduierte und entwickelt Mentoring-Programme und Personalcoachings.
Martin Schneider-Ramelow ist Autor und Co-Autor von über 250 Fachartikeln. Er gilt als Spezialist auf dem Gebiet der Qualität und Zuverlässigkeit metallischer Interconnects und ist weltweit anerkannt als Experte für Drahtbondverbindungen. So war er als Obmann der Arbeitsgemeinschaft 2.4 „Bonden“ im Deutschen Verband für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS) maßgeblich an der Neuverfassung des über 20 Jahre alten DVS-Standards 2811 beteiligt, der nun seit 2017 als Grundlage für die Bewertung von hochqualitativen Drahtbondverbindungen gilt. Ferner ist er Mitglied von 6 nationalen und internationalen Konferenzprogrammkommissionen auf dem Gebiet des Electronic Packagings, Senior Member IEEE, Fellow IMAPS USA und seit 14 Jahren 1. Vorsitzender der International Microelectronics and Packaging Society (IMAPS) Deutschland.