Antioxidantien
Organische Verbindungen, wie Kunststoffe, unterliegen der Autooxidation. Dabei handelt es sich um eine radikalische Kettenreaktion mit dem Luftsauerstoff, die durch Wärme oder Licht initiiert wird und zur langsamen Oxidation der Verbindungen führt. Eines der reaktivsten Spezies in den Kettenreaktionen ist das OH-Radikal. Dieses und ähnlich reaktive Radikale werden durch primäre Antioxidantien abgefangen. Der Angriff des OH-Radikals auf organische Substanzen führt zusammen mit dem O2-Molekül zur Bildung von sog. Hydroperoxiden. Aus letzteren werden in Nachfolgereaktion OH-Radikale neu gebildet. Sekundäre Antioxidantien deaktivieren Hydroperoxide so, dass keine Neubildung von OH stattfindet. Zur bestmöglichen Stabilisierung sind somit zwei Typen von Antioxidantien erforderlich. Sie wirken synergistisch. Das primäre Antioxidans enthält häufig phenolische Strukturen, während es sich bei dem sekundären z. B. um ein organisches Phosphit handelt. In dem für aktuelle Untersuchungen am Fraunhofer LBF ausgewählten marktverfügbaren Verarbeitungsstabilisator sind die beiden Antioxidantien zu gleichen Anteilen enthalten.
Fließkurven der Scherviskosität bei unterschiedlichem Stabilisatoranteil („Stab“). Grafik: Fraunhofer LBF
Untersuchungen zur Verarbeitungsstabilisierung
Handelsübliche Neuware-Kunststofftypen sind ab Werk mit entsprechenden Stabilisatorpaketen gebrauchsfertig ausgerüstet. Bei der Entwicklung neuer Kunststoffcompounds muss vor dem Hintergrund von Ressourcenschonung und Wirtschaftlichkeit die optimal hinzuzufügende Menge an Verarbeitungsstabilisatoren gezielt ermittelt werden. Ebenso bei Altkunststoffen in Wertstoffströmen, die zur Herstellung von Rezyklaten eingesetzt werden. Hier sind die Stabilisatoren in unterschiedlichem Maß verbraucht. Für die Compoundierung des Mahlguts zu Rezyklaten und deren Weiterverarbeitung, z. B. im Spritzgussprozess, kommt es darauf an, die Stabilisatoren in Anteilen genau passend zu den Kunststofftypen und deren Alterungszustand hinzu zudosieren. Bisher werden Compounds mit unterschiedlichen Anteilen der Antioxidantien in Form von Konzentrationsreihen hergestellt. Diese werden dann mittels verschiedener Tests, wie z. B. Messung der Volumenfließrate (MVR, DIN 1133-1), offline charakterisiert. Belastbare Ergebnisse erhält man somit erst nach dem Compoundierschritt.
Online-Charakterisierung bietet neues Potenzial
Forschende am Fraunhofer LBF verfolgen aktuell den Ansatz, bereits während der Compoundierung online die Schmelze zu charakterisieren, um sofort Aussagen über die Wirksamkeit der aktuellen Stabilisatorzugabe zu gewinnen. Hierzu werden mit einem Online-Rheometer, welches hinter den Schneckenspitzen an einen Doppelschneckenextruder angeflanscht ist, die Fließkurven sowohl der Scher- als auch der Dehnviskosität gemessen. Erste Untersuchungen wurden an einem wenig stabilisierten Neuware Polypropylen (PP) durchgeführt. Dabei wurde für ausgewählte Drehzahlen die Menge an zudosiertem Stabilisator variiert. Der verringerte prozessbedingte Abbau spiegelt sich sofort in einem Anstieg der Viskosität in den Fließkurven wider. Ab einem bestimmten Additivanteil kommt es zu keiner weiteren Viskositätszunahme. Damit ist für die vorliegenden Prozessbedingungen die Grenzkonzentration des Stabilisators erreicht, oberhalb derer sich keine weitere Verbesserung erzielen lässt.
Mittels Online-Rheologie erhalten Compoundeure also unmittelbar Informationen zur Auswirkung eines Prozess-Stabilisators. Hinzu kommt, dass sich die Fließkurven zwischen den einzelnen Kunststoffen unterscheiden, sie beinhalten somit einen wesentlich höheren Informationsgehalt als der einzelne numerische Wert einer MVR-Messung. Zusätzlich können die Fließkurven der Dehnviskosität mit in die Auswertung einbezogen werden. Mittels eines entsprechenden KI-gestützten Systems bietet die Online-Rheologie das Potenzial für eine chargenangepasste Nachstabilisierung in Echtzeit bei der Rezyklatgewinnung.