Neuer Ansatz gegen Parodontitis

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Bakterien im Mundraum hemmen statt zerstören

Neuer Ansatz gegen Parodontitis
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Parodontitis betrifft die Hälfte der erwachsenen deutschen Bevölkerung. Schwere Fälle werden bisher mit Antibiotika bekämpft. [PerioTrap Pharmaceuticals GmbH]
16.03.2024 | Neuartige therapeutische Ansätze bei Parodontitis werden von der PerioTrap Pharmaceuticals GmbH, der Skinomics GmbH, dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI und dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS im gemeinsamen Projekt »Paropaste« entwickelt. Sie setzen darauf, die dafür verantwortlichen Keime nicht abzutöten, sondern unschädlich zu machen.

Parodontitis ist eine Volkskrankheit: Die Hälfte der erwachsenen deutschen Bevölkerung ist von dieser chronisch-entzündlichen Erkrankung des Zahnhalteapparates betroffen, die meist durch eine Störung des bakteriellen Gleichgewichts im Mundraum und auf den Zähnen ausgelöst wird. Die Folgen sind keineswegs auf Zahnschmerzen, blutendes Zahnfleisch oder Zahnausfall beschränkt. Durch die ständige Entzündung und die Einwanderung der krankmachenden Keime in den menschlichen Körper werden Erkrankungen wie Diabetes, Rheuma, Alzheimer und chronische entzündliche Darmerkrankungen begünstigt. Weil insbesondere bei schweren Verläufen von Parodontitis auch Antibiotika zur Behandlung eingesetzt werden, tragen die hohen Fallzahlen der Krankheit auch zur Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen und zur Entstehung multiresistenter Keime bei, an denen weltweit jährlich mehr als eine Million Menschen sterben.


»Antibiotika sollen bei schweren Fällen von Parodontitis den bakteriellen Biofilm in Zahnfleischtaschen beseitigen. Werden dabei Tabletten verabreicht, wirkt das Medikament aber auf den gesamten Körper. Viele nützliche Bakterien auch an anderen Stellen als im Mundraum kommen mit dem Wirkstoff in Kontakt, werden abgetötet, und es entsteht ein unnötig hohes Risiko für die Ausbildung von Resistenzen«, erläutert Dr.-Ing. Andreas Kiesow, Gruppenleiter »Charakterisierung medizinischer und kosmetischer Pflegeprodukte« am Fraunhofer IMWS.


Im Verbundprojekt »Paropaste«, das im Förderprogramm »KMU-innovativ: Biomedizin« mit insgesamt 3 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, setzen die Projektpartner deshalb auf einen alternativen Ansatz zur Hemmung der krankmachenden Bakterien: Sie wollen mit einem speziellen Wirkstoff, der direkt im Mundraum appliziert wird, ein Enzym hemmen, das fast ausschließlich in den Paradontitis verursachenden Bakterien vorkommt. Ohne die Wirkung dieses Enzyms kann das Bakterium mehrere sogenannte Virulenzfaktoren nicht mehr produzieren, und somit letztlich keine Erkrankung beim Menschen mehr hervorrufen. »Während klassische Antibiotika das grundsätzliche Wachstum aller guten und schlechten Keime hemmen, wollen wir nur die gefährlichen Bakterien in ihrer krankmachenden Wirkung aus dem Spiel nehmen. So kann das natürliche Mikrobiom im Mundraum erhalten oder wiederhergestellt werden, statt das gesamte Keimspektrum zu zerstören«, sagt Dr. Mirko Buchholz von PerioTrap, wissenschaftlicher Leiter und Mitgründer der Firma.


Das Fraunhofer IMWS bringt im »Paropaste«-Projekt vor allem seine langjährige materialwissenschaftliche Erfahrung für innovative Dental-Care- und Oral-Care-Anwendungen ein. Dabei wird unter anderem untersucht, ob die lokal anzuwendende Formulierung, die im Projekt entsteht, in der gewünschten Weise mit dentalem Gewebe interagiert und für Menschen verträglich ist.


Das Fraunhofer IZI, an dem der innovative Behandlungsansatz generiert wurde und dessen Ausgründung die PerioTrap GmbH ist, entwickelt und validiert die bioanalytischen Methoden zur Charakterisierung der Wirkstoffkandidaten und führt Experimente zum Wirkstofftransport, der lokalen Bioverfügbarkeit und zur Toxizität durch. Skinomics übernimmt im Projekt die Verantwortung für die Auswahl, Charakterisierung und Erprobung eines geeigneten galenischen Trägersystems für ausgewählte Wirkstoffkandidaten sowie regulatorische Zuarbeiten zur klinischen Bewertung und Scaling-up Prozessen.


Wenn die Projektpartner erfolgreich sind und das Wirkpotenzial des Ansatzes nachweisen können, soll »Paropaste« in klinischen Studien erprobt werden.


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