In Kürze
- Neuartige künstliche Muskeln aus Silikon und mit Luftblasen bestückt lassen sich gezielt mit Ultraschall verformen und drahtlos steuern.
- Forschende der ETH Zürich konnten Anwendungen von einem Greifarm über einen von einem Stachelrochen inspirierten Roboter bis zu Pflastern für die Medikamentenabgabe demonstrieren.
- Noch handelt es sich um Laborversuche, doch die Technik eröffnet Perspektiven für Anwendungen in Robotik und Medizin.
Auf den ersten Blick sieht es wie ein einfaches Materialexperiment aus: Ein kurzer Ultraschallimpuls reicht, und ein dünner Streifen Silikon beginnt sich zu biegen oder zu wölben. Doch es steckt viel mehr dahinter. Ein Team um Daniel Ahmed, Professor für akustische Robotik in den Biowissenschaften und im Gesundheitswesen, hat eine neue Klasse von künstlichen Muskeln entwickelt: flexible Membranen, die dank tausenden winzigen Luftbläschen auf Ultraschall reagieren.


(Bild: Shi Z et al. Nature 2025, verändert)
Flexible Bewegung dank Bläschenanordnung
Für die Herstellung der künstlichen Muskeln nutzten die Forschenden eine Gussform mit einer Mikrostruktur. Die in dieser Form hergestellte Silikonmembran hat auf ihrer Unterseite winzige Poren, Jede einzelne ist um die 100 Mikrometer tief und breit, also etwa so dick wie ein menschliches Haar. Tauchen die Forschenden die Membran ins Wasser, bleiben winzige Luftbläschen in den Poren eingeschlossen.
Wenn Schallwellen auf diese Bläschen treffen, beginnen sie zu schwingen und erzeugen eine gerichtete Strömung, die den Muskel bewegt. Grösse, Form und Anordnung der Bläschen lassen sich präzise steuern – so entstehen Bewegungen von gleichmässiger Krümmung bis hin zu wellenförmigen Mustern. Die Muskeln reagieren innert Millisekunden und lassen sich drahtlos kontrollieren.
Sanftes Zupacken, gleitende Bewegung
Die Forschenden haben die künstlichen Muskeln in mehreren Anwendungen demonstriert. Eine davon ist ein weicher Miniatur-Greifarm. Im Experiment konnten sie zeigen, dass dieser eine Zebrafisch-Larve im Wasser behutsam umschliessen und anschliessend wieder freilassen konnte. «Es war faszinierend zu sehen, wie präzise und gleichzeitig sanft der Greifer funktioniert – die Larve schwamm danach unversehrt davon», erzählt Zhiyuan Zhang, ehemaliger Doktorand bei Ahmed und einer der beiden Erstautoren der in der Fachzeitschrift Nature publizierten externe Seite Studie.
Um die wellenförmigen Bewegungen zu demonstrieren, haben die Forschenden ausserdem einen Roboter in Form eines winzigen Stachelrochens gebaut. Er ist ungefähr vier Zentimeter breit. Zwei künstliche Muskeln übernehmen die Funktion der Brustflossen. Sobald die Forschenden sie mit Ultraschall anregen, entsteht eine wellenförmige Bewegung, die den Miniroboter durchs Wasser gleiten lässt, ganz ohne Kabel. «Die wellenförmige Fortbewegung war für uns ein echtes Highlight», sagt Ahmed. «Sie zeigt, dass wir mit den Bläschen nicht nur einfache Bewegungen erzeugen können, sondern auch komplexe Muster wie bei einem lebenden Organismus.»
Langfristig könnte der sogenannte «Stingraybot», wie die Forschenden den Roboter nennen, im Magen-Darm-Trakt eingesetzt werden, um dort Medikamente punktgenau freizusetzen oder minimal-invasive Eingriffe zu unterstützen. Auch haben die Forschenden bereits überlegt, wie sich der Stingraybot dereinst in den Magen transportieren lässt: Sie rollen ihn auf und platzieren ihn in einer eigens dafür entwickelten Kapsel, die man schlucken kann und die sich im Magen auflöst.

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