Ist die Suppe vom Wochenende noch gut? Wie steht´s um den Schinken mit dem abgelaufenen Haltbarkeitsdatum? Und die Himbeeren: verschimmelt oder noch ok? Solche Fragen stellen sich millionenfach in Küchen rund um den Globus. Um das Risiko unguter Folgen zu umgehen, wandern tonnenweise Lebensmittel vorsorglich in den Müll. Ebenso ist es in Supermärkten – auch hier werden etwa Obst und Gemüse in gewaltigen Mengen entsorgt. Könnte man nur Expertenrat einholen und die Lebensmittel vor Ort schnell daraufhin prüfen lassen, wie lange sie tatsächlich noch genießbar sind. – Nicht machbar, sollte man meinen – aber tatsächlich arbeitet ein europaweites Team daran, genau so etwas möglich zu machen.
Die Nachwuchswissenschaftler Luigi Masi (l.) und Motahareh Khalafi forschen in Andreas Schützes Team wie lange Obst und Gemüse noch frisch sind. [Foto: Iris Maurer / Universität des Saarlandes]
Fachleute verschiedener Disziplinen aus Wissenschaft und Industrie arbeiten zusammen an diesem Vorhaben. Zehn Partnerinstitutionen aus Belgien, Deutschland, Italien und Spanien wirken am Projekt namens „Serenade“ mit: die Universitäten Padova, Zaragoza, Leuven und des Saarlandes, das belgische Forschungsinstitut VITO und fünf Unternehmen. Sie entwickeln die smarten Hilfsmittel vom empfindlichen Sensorsystem bis hin zu den nachhaltigen und spülmaschinengeeigneten Materialien.
Part der Saarbrücker Forscherinnen und Forscher um Andreas Schütze und Christian Bur, promovierter Ingenieur aus Schützes Team, ist das Gassensorsystem und die dazu gehörende künstliche Intelligenz: Sie sind Spezialisten, wenn es darum geht, der Technik einen äußerst feinen Geruchssinn zu verleihen und ihr beizubringen, aus dem Erschnupperten Schlussfolgerungen zu ziehen. Schon seit Längerem forschen sie daran, Reife und Verderb mit intelligenten Sensorsystemen zu erkennen. Ein Vorgängerprojekt hierzu wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.
Altern Nahrungsmittel, verändern sie bekanntermaßen neben Aussehen und Geschmack vor allem ihren Geruch. Nicht umsonst riechen wir instinktiv an Essen, dem wir nicht trauen. Riecht etwas süßlich oder gar erdig, vergeht der Appetit schnell. Der Geruch hängt mit dem Werk von Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen zusammen, die organische Substanzen zersetzen und abbauen. Es fault und gärt, wird sauer oder ranzig. All dies bleibt für die Umgebung nicht folgenlos: Flüchtige Moleküle geraten in die Luft – wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Ethen oder Essigsäure – am Anfang vereinzelt, im Verlauf mehr und mehr.
Menschliche Nasen können dies dank Millionen von Riechzellen wittern: Wenn solche Geruchs-Moleküle sich an ihnen anlagern, senden die Riechzellen diese Information zum Gehirn, damit es beginnt, zu deuten, was es hiermit auf sich hat. Die künstlichen Sinnesorgane der Saarbrücker Forscherinnen und Forscher im Team von Andreas Schütze kommen schon einzelnen Molekülen unter Milliarden Luftmolekülen auf die Spur: Sie fischen aus einem ganzen Universum an nebensächlichen Luftmolekülen und Gasteilchen die heraus, auf die es ankommt. Dabei erschnuppern sie sogar mehr als menschliche Nasen: „Unsere Sensoren erfassen auch Komponenten wie Ethen oder Kohlenstoffdioxid, die Menschen nicht riechen können“, erklärt Andreas Schütze. Das Sensorsystem bestimmt, worum es sich bei den Molekülen handelt und in welcher Konzentration. Dafür sammeln die Sensoren über einen bestimmten Zeitraum die Moleküle und messen anschließend deren Menge. „Zum Einsatz kommen hierfür Halbleitergassensoren auf Metalloxid-Basis, die Industriepartner im Projekt auch weiterentwickeln. Wir erarbeiten auf dieser Basis das Sensorsystem. Im Laufe zahlreicher Forschungsprojekte haben wir die Systeme und ihre Signalauswertung immer weiter verfeinert“, erläutert Professor Schütze.
Damit wird es möglich, den Verlauf des Verderbs kenntlich zu machen – von den ersten Anzeichen noch unproblematischer Reifeprozesse der Früchte selbst bis zu dem Punkt, an dem die Zusammensetzung der gesammelten Teilchen signalisiert, dass man das Lebensmittel nicht mehr essen sollte. „Wir messen nicht einfach nur eine Konzentration der einzelnen Substanzen, sondern vielmehr ihr Konzentrationsverhältnis in der Luft. Das macht einen großen Unterschied, denn damit funktionieren die Messgeräte unabhängig von der Menge der Geruchsmoleküle. Auch bei größerem Abstand zum Obst und Gemüse messen sie dadurch zuverlässig“, erklärt Andreas Schütze.
„Gerüche hinterlassen in der Luft eine Art persönlichen Fingerabdruck, der sich aus verschiedenen Konzentrationen verschiedener Stoffe zusammensetzt“, sagt Christian Bur. „An den individuellen Geruchs-Abdrücken, sogenannten Smellprints, wollen wir den jeweiligen Zustand der Lebensmittel ablesen. Hierfür ordnen wir die einzelnen Smellprints den verschiedenen Zuständen zu“, ergänzt der Ingenieurwissenschaftler. Die Forscherinnen und Forscher bringen der Technik auf diese Weise bei, den Zustand der Lebensmittel zu bewerten und ihren Verfall mittels künstlicher Intelligenz vorherzusagen. Ein „technisches Gehirn“ wertet dabei alles aus, ordnet das von den Sensoren Erschnupperte ein, zieht passende Schlussfolgerungen und veranlasst entsprechende Aktionen – also zum Beispiel, die Information „noch fünf Tage frisch“ auf einem Display anzuzeigen. „Hierzu kombinieren wir die Mikrosensoren mit Mikroelektronik und analytischen Komponenten sowie Methoden des maschinellen Lernens“, erläutert Christian Bur.
Die Forschungspartner arbeiten gemeinsam an den verschiedenen Gewerken, die notwendig sind, damit am Ende des Projekts Vorratsbehälter und Messgeräte serienreif sind. „Das reicht von der Bewertung des Lebensmittelverfalls und seiner Vorhersage mit künstlicher Intelligenz über Design und Installation neuartiger miniaturisierter Gaschromatographen, die der Sensortechnik vorgeschaltet werden, um die Luftgemische aufzutrennen, bis hin zu den verwendeten alltagstauglichen Materialien“, schildert Christian Bur. Hieran arbeiten gezielt auch Nachwuchsforscherinnen und -forscher mit. „Die Aufgabenstellung ist international und fachübergreifend – ideal für interessante Doktorarbeiten. Wir bilden im Netzwerk Doktorandinnen und Doktoranden an der zukunftsträchtigen Schnittstelle von Lebensmitteln, Sensoren und Werkstofftechnologien aus, die teils an der Universität und teils in der Industriepraxis forschen“, erklärt Professor Andreas Schütze.