In Abhängigkeit von der Kraft ändert.sich die Farbe der Probe. Die sich ändernde Bauteilspannungen werden durch Farbänderungen sichtbar. [Foto: Jacob Müller]
In einer früheren Arbeit an der Professur Polymerchemie konnten damit bereits mechanische Spannungen in Kunststoffen stufenlos sichtbar gemacht und molekulare Kräfte aus der Theorie abgeleitet werden. „Das bringt überall dort große Vorteile, wo es darauf ankommt, Belastungen in Kunststoffen in Echtzeit abzubilden. Diese neue Form der Schadensanalyse könnte schon bald zu praktischen Anwendungen führen“, sagt Sommer.
Kalibrierung molekularer Torsionsfedern ermöglicht quantitative Kraftmessung
In der aktuellen Forschungsarbeit, die in der Zeitschrift Angewandte Chemie publiziert wurde, wird dieses Konzept durch eine experimentelle Kalibrierung von Kräften weiterentwickelt. Somit kann die Größe von Kräften in verschiedenen Kunststoffen optisch bestimmt werden. „Der Schritt von der bloßen Sichtbarmachung und theoretisch berechneten Kräften in Kunststoffen hin zu experimentell direkt bestimmten Kräften ist ein großer“, versichert Sommer. Möglich wurde dies durch die Verwendung unterschiedlich funktionierender Mechanophore, deren Verhalten bei bestimmten mechanischen Spannungen untereinander abgeglichen werden kann. So konnten molekular-wirkende Kräfte ermittelt werden. Bislang wurden vor allem Zugkräfte untersucht. Inwieweit beispielsweise auch äußere Druckkräfte zuverlässig und quantitativ bestimmt werden können, muss noch erforscht werden.
Bessere mechanische Eigenschaften, Alterung von Kunststoffen und Schadensanalyse
Die Ergebnisse bilden eine breite Basis für ein noch besseres grundlegendes Verständnis von Kräften in polymeren Materialien. In weiteren Experimenten, die im Rahmen eines kürzlich geförderten DFG-Projekts gemeinsam mit den Arbeitsgruppen von Prof. Günter Reiter (Polymerphysik) und Priv.-Doz. Michael Walter (Theorie) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg durchgeführt werden, sollen mikroskopische Kräfteverteilungen in verschiedenen Kunststoffen untersucht werden und auch 3D-gedruckte Bauteile zum Einsatz kommen. „Die Visualisierung von zeit- und ortsaufgelösten Kräfteverteilungen kann bisher nur theoretisch modelliert werden. Der Einsatz von Torsionsfedern bietet hier einzigartige Möglichkeiten für mikroskopische Einblicke, die Alterungs- und Schadensanalyse revolutionieren könnten“, so Sommer.
Besonders freut er sich über den sehr hohen wissenschaftlichen Eigenanteil des Erstautors Raphael Hertel, der als Doktorand in der Professur Polymerchemie große Teile der Arbeit konzipiert und experimentell durchgeführt hat. „Es ist immer wieder eine große Freude zu sehen, wie jemand aus der Arbeitsgruppe so erfolgreich Projekte eigenständig bearbeitet“, sagt Sommer.