Kurzfristiger Lieferengpass, ungeplanter Maschinenausfall oder Krankheitswellen in der Belegschaft: Im zukunftsfähigen Produktionsstandort Deutschland liegt das Potenzial, Maschinen und Anlagen nicht nur zu vernetzten, sondern sie so wandelbar zu gestalten, dass sie sich autonom an neue Situationen anpassen.
„Digitalisierung, globale Unsicherheiten und Wettbewerbsdruck sind wesentliche Treiber für die Entwicklung von vernetzten Produktionssystemen mit einem hohen Grad an Autonomie und Wandelbarkeit“, erklärt Björn Sautter (Festo SE & Co. KG), Mitglied im Forschungsbeirat Industrie 4.0. „Solche intelligenten Produktionssysteme mit Fähigkeit zur dezentralen Selbstbewertung und -optimierung nahezu in Echtzeit ermöglichen neue Leistungssprünge im Gesamtsystem einer nachhaltigen Produktion. Die Expertise beschreibt, welchen Beitrag der Ansatz des Systems Engineerings dabei leisten kann, welche Kompetenzen erforderlich sind und wo wichtige Handlungsfelder liegen.“
Potenziale und Herausforderungen
Schon bald können autonom wandelbare Produktionssysteme ihre Fertigungsprozesse an Störungen anpassen. Durch die Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien, Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz bieten sie eine erhöhte Resilienz gegenüber Ausfällen. Unternehmen können so Risiken minimieren, sich an die steigende Individualisierung und Komplexität anpassen und ihre Effizienz steigern. Während bestehende Produktionssysteme vorwiegend auf Simulation, Vernetzung und spezifischen Maschinen basieren, zeichnen sich autonom wandelbare Industrie 4.0-Systeme durch Selbstauskunftsfähigkeit, Flexibilität und Autonomie aus.
Die Analyse der Engineering-Methoden von Produktionssystemen zeigt, dass es Unterschiede gibt: Ihre Hersteller setzen auf Produktentwicklungsmethoden und ihre Nutzer bzw. Kunden auf klassische Fabrikplanungsmethoden. „Wenn Produktionssysteme durch Autonomie und Wandelbarkeit künftig noch leistungsfähiger und komplexer werden, kommen herkömmliche Entwicklungsmethoden an ihre Grenzen. Wir fordern daher sowohl Industrie als auch politische Akteure auf, in diese drei Handlungsfelder zu investieren: Kollaboration zwischen den Engineering-Bereichen, Weiterentwicklung von Engineering-Methoden und Investition in Wissen und Bildung“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Roman Dumitrescu, Direktor am Fraunhofer IEM und Autor der Expertise.
Systems Engineering als Schlüssel für Wandelbarkeit und Komplexitätsmanagement
Um der steigenden Komplexität gerecht zu werden, evaluiert die Expertise die Potenziale des Systems Engineering (SE). SE unterstützt die ganzheitliche Betrachtung von Produktionssystemen mit Wechselwirkungen zwischen Mensch, Technologie und Organisation und bietet Methoden, mit denen Nutzerinnen und Nutzer aktiv in die Entwicklung eingebunden werden. Der Ansatz ermöglicht es, in einem System interdisziplinär zu entwickeln, es über die Lebensphasen hinaus zu denken und potenzielle Herausforderungen frühzeitig anzugehen.
Bei Produktionssystemen sind die Abhängigkeiten zwischen Produkt, Prozess und Produktionsressourcen wesentlich komplexer. Hier bietet die Weiterentwicklung von SE-Methoden aber Chancen, Autonomie und Wandelbarkeit anzugehen. Den Trend der heutigen Industrie zeigt die Expertise in vier Best-Practice-Darstellungen auf: Smart Factory im Werkzeugbau bei KAMAX, „Fabrik der Zukunft“ Porsche Zuffenhausen, Matrixproduktion im Fluss der Siemens AG und Datenfabrik.NRW.
Die Lücke zwischen Forschung und industrieller Entwicklungspraxis ist nach wie vor groß. Ein Kompetenzradar fasst Personal-, Sozial-, Fach- und Methodenkompetenzen für das Engineering autonom wandelbarer Industrie 4.0-Systeme zusammen. Für die drei übergeordneten Handlungsfelder Kollaboration zwischen den Engineering-Bereichen, Weiterentwicklung von Engineering-Methoden und Investition in Wissen und Bildung gibt die Expertise konkrete Empfehlungen an Industrie, Wissenschaft und Wirtschaft.
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