Daten sind das Gold der Industrie 4.0: Sie werden benötigt, um in hochspezialisierten Prozessen Maschinen und Anlagen zu steuern. Sensoren überwachen diese Prozesse und erzeugen damit große Mengen neuer Daten. Als Grundlage für Anwendungen der KI und des Maschinellen Lernens sind an den Wirkstellen erfasste Daten besonders interessant, wenn sie zusammengeführt, in ein einheitliches Datenmodell überführt und damit in ihrer Gesamtheit ausgewertet werden können. Erst dann können diese Daten wertschöpfend eingesetzt werden, also zur kontinuierlichen Verbesserung der Produktion.
Das Energieeinsparpotenzial durch Digitalisierung ist beim Rundkneten mit bis zu 70 Prozent besonders hoch. [© Fraunhofer IWU]
»Linked Factory«: Vernetzte Maschinen, maßgeschneiderte Informationen
Die Linked-Factory-Datenarchitektur ist eine am Fraunhofer IWU entwickelte Vision von einer durchgängigen digitalen Repräsentation aller Produkte, Prozesse und Maschinen in Unternehmen. Neben einzelnen Maschinen sind so auch Logistikprozesse oder die Gebäudeleittechnik integrierbar. Als zentrales Element erlaubt ein Wissensgraph die Verknüpfung unterschiedlichster Daten, um daraus aktuelle Informationen zu generieren.
Wichtig dabei: Gerade wenn große Datenmengen zu Informationen verarbeitet und bereitgestellt werden, sollten einzelne Datenpakete die Mitarbeitenden bei ihren Aufgaben unterstützen und nicht zusätzlich belasten. »Kontextbasierte Bereitstellung« lautet hier das Schlüsselwort. Denn ein Fertigungsleiter benötigt andere Informationen als eine Maschinenbedienerin oder ein Instandhalter, der mit Wartungsarbeiten beschäftigt ist. Jeder Mitarbeitende wird also in Abhängigkeit von seinem Verantwortungsbereich versorgt.
Zentrale Herausforderungen auf dem Weg zu einer perfekt vernetzten Fabrik sind intelligent verknüpfte Steuerungen und geeignete Schnittstellen, damit alle relevanten Daten extrahiert und zielgenau wieder eingespeist werden können.
EmulDan: Basis für informierte Entscheidungen und Maschinelles Lernen
Neben der Datenarchitektur sind die in EmulDan erarbeiteten KI-Modelle ein wichtiger Schritt für durchgängige digitale Zwillinge. In Fertigungsbereichen mit niedrigem Automatisierungsgrad können solche Anwendungen des Maschinellen Lernens helfen, Planerinnen, Entscheider oder Mitarbeitende in der Produktion optimal bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen, indem Trends aufgezeigt werden. Sogenannte Drifts, bei denen sich die Fertigung eines Bauteils der Toleranzgrenze nähert, werden beispielsweise früher erkennbar.
In EmulDan konzentrierten sich die Projektpartner auf die Energieeffizienz. Dabei durften bei den klassischen Steuerungs- bzw. Messgrößen wie Herstellungszeit, -kosten und Produktqualität keine Verschlechterungen hingenommen werden. Ihre Ergebnisse stellen die Partner nun anhand von Demonstratoren vor, die erhebliche Energieeinsparpotenziale in Fertigungsverfahren der Warmumformung, der Kaltumformung und der Zerspanung deutlich machen.
Presshärten, Warmumformung
Das Presshärten kombiniert die Vorteile der Umformung und der Wärmebehandlung in einem einzigen Schritt. Es erlaubt die Herstellung hochfester und gleichzeitig besonders leichter Karosserieteile, beispielsweise B-Säulen in Automobilen. Im Projekt wurde ein Bor-Mangan-Blech auf über 900 °C erwärmt und anschließend in einem Formwerkzeug umgeformt und abgekühlt. Durch die schnelle Abkühlung des Bauteils während und nach der Umformung wandelt sich sein Gefüge in eine martensitische Struktur, was zu einer hohen Härte und Festigkeit führt. Dieser Herstellungsprozess benötigt viel Energie, die Frage nach Einsparmöglichkeiten liegt also nahe. Für eine datenbasierte Prozesssteuerung erfassten die Projektpartner alle praxisrelevanten Fertigungsdaten aus Einzelprozessen sowie Prozessketten und erstellten Prozessmodelle zur Vorhersage von Energiebedarf und Bauteilqualität in verschiedenen Optimierungsszenarien. Als besonders hilfreich erwiesen sich hybride Prozessmodelle auf Basis des sogenannten digitalen Zwillings. Das Ergebnis: Ein Energieeinsparpotenzial von bis zu 20 Prozent ergibt sich aus der Kombination mehrerer angepasster Prozessparameter.
Kaltumformung mit einer Rundknetanlage
Rundknetanlagen kommen für die spanlose und effiziente Produktion von Leichtbauteilen zum Einsatz. Das Grundprinzip des Rundknetens beruht auf einer zyklischen Bewegung mehrerer Werkzeugsegmente, die in schneller Folge radial auf das Werkstück einwirken. Das Material wird dadurch plastisch formbar und kann in komplexe, vorzugsweise rotationssymmetrische Geometrien überführt werden.
Das Rundkneten ist für die Herstellung zahlreicher Formen geeignet. Typische Anwendungsbeispiele im Automobilbereich sind Lenkspindeln, Antriebswellen und Airbag-Zylinder; auch Bauteile für Flugzeugtriebwerke oder -fahrwerke sind mit dem Rundkneten hochpräzise herstellbar.
EmulDan konnte auch für dieses Umformverfahren erhebliches Energieeinsparpotenzial aufzeigen. Zentraler Ansatzpunkt war, die bislang ungeregelten, fast ausschließlich an der Bauteilqualität orientierten und auf Erfahrungswissen basierenden Prozessparameter durch energierelevante Aspekte zu ergänzen. So entstand ein Softwaretool zur Datenverarbeitung, das die selbstlernende Prozesskorrektur ermöglicht und geeignete Modelle für Prognosen erstellt. Dabei werden Zusammenhänge zwischen Maschinenparametern, Bauteilqualität und energetischen Prozessgrößen erkannt und in Prozessmodelle überführt, die sich am Gesamtoptimum orientieren. Für die Praxis bedeutet dies ein besseres Prozessverständnis und die Chance auf einen um bis zu 70 Prozent reduzierten Energieverbrauch.
Dreh- und Walzprozesse
Sowohl beim Drehen als auch beim Glattwalzen wird oft mit hohen Sicherheitsfaktoren gearbeitet, um auch unter sehr ungünstigen Bedingungen spezifikationsgerechte Bauteile herstellen zu können. In die Werkzeughalter integrierte Sensoren lieferten im Projekt Daten zur Bewertung von Werkzeugzustand und Prozess – als Basis für eine signifikante Reduzierung vieler Sicherheitsfaktoren. Erschließen lassen sich diese Potenziale in einem adaptiven Prozess, in den die erfassten Messsignale einfließen. Die Regelung erfolgt dabei beim Drehen über den Vorschub und beim Glattwalzen über die Zustellung (Walzkraft). Im Projekt konnten die Hauptzeiten auf 50 Prozent reduziert werden. Als positiver Nebeneffekt sind deutlich weniger Prüfaufwendungen nötig, die Prozesssicherheit nimmt zu.