Digitale Zwillinge können anwendungsfallorientiert an vielen Stellen im Engineering verwendet werden. „Maschinen- und Anlagenbauer werden zunehmend Digitale Zwillinge einfordern, um ihre Maschinen und Anlagen schneller entwickeln zu können und dabei weniger Fehler zu machen“, erklärt Gerhard Borho, Digitalisierungsvorstand bei Festo. Schritt für Schritt entwickelt sich das Prinzip „Digital First“ weiter: Komponenten und Maschinen werden so weit wie möglich virtuell entwickelt, bevor die erste Hardware hergestellt wird – dies zieht sich bis ins Testing und die Systemintegration. Analoge Entwicklungen sieht man in der Fabrikplanung.
Digitaler Zwilling Handhabungsportal
Projektlaufzeiten verkürzen
Kürzere Entwicklungszeiten erfordern die weitere Parallelisierung von Entwicklungsschritten bei den Maschinenbauern. Digitale Zwillinge müssen daher auch die Fähigkeiten der Komponenten genau nachbilden, ggf. bis zum physikalischen Verhalten. Damit verkürzen sich die Projektlaufzeiten der Kunden deutlich, die Produktivität steigt. Noch bevor ein Maschinenentwickler die Maschine als Hardware zusammengebaut hat, kann er sie simulieren, testen und nochmals verändern. So kann er zum Beispiel Handhabungssysteme bereits am virtuellen Modell optimal und effizient auslegen und programmieren. Fehler können so frühzeitig gefunden und behoben werden, was erheblich zum effizienten und stabilen Betrieb später beiträgt.
Digitale Zwillinge von Automatisierungskomponenten sind viel mehr als nur 3D-Modelle, die sich virtuell bewegen. Sie sind digitale Abbilder mit vielerlei Informationen zu den Komponenten, dies umfasst u.a. die eindeutige Beschreibung ihrer Fähigkeiten, die Dokumentation, das Verhalten – beispielsweise die Simulation ihrer Kinematik und Kinetik – und die Kommunikation mit ihnen bis hin zur Rolle innerhalb der Maschine.
Gesamter Lebenszyklus im Fokus
Die Industrie-4.0-Maschinenarchitektur basiert vollständig auf Digitalen Zwillingen, die mit ihrer standardisierten Kommunikationsschnittstellen praktisch während des gesamten Lebenszyklus einer Maschine das Leben erleichtern: Von der virtuellen Inbetriebnahme über die Steuerung der Maschine bis zur Datenerhebung und den daraus resultierenden Mehrwertdiensten wie Wartung oder Diagnose. Weitere Zeiteinsparungen ergeben sich durch verringerte Suchzeiten in Katalogen oder Support-Portalen oder der Erstellung der Maschinendokumentation.
Bisher lagen für jede Automatisierungskomponente eine Vielzahl von Daten in unterschiedlichen Formaten wie CAD, PDF oder sogar Handbüchern aus Papier vor. Datenhaltung war damit schwerfällig und schwer zugänglich über den gesamten Lebenszyklus eines Automatisierungsprodukts. Diese fehlende digitale Durchgängigkeit erschwerte auch die vollständige Vernetzung aller Objekte. Daher arbeitet Festo an einer bruchfreien und durchgängigen Kommunikationstechnologie wie OPC-UA. Letztlich wird die Verwaltungsschale als zentrales Informationsobjekt genutzt, um digitale Zwillinge über den Lebenszyklus zu nutzen
Bereits die Planung und konkrete Angebotserstellung wird durch digitale Zwillinge erleichtert. „Durch intelligente Algorithmen können die Komponenten optimal und gleichzeitig energieeffizient ausgelegt und konfiguriert werden“, ergänzt der Digitalisierungsvorstand von Festo.
Vorteile bei der Inbetriebnahme
Im virtuellen Modell kann der Entwickler testen, ob er beispielsweise den Schlitten bewegen kann und sich die Prozessdaten aus dem Wegmesssystem oder das Signal der Endlagensensoren anschauen. Möchte er die Steuerungsabläufe der Maschine erstellen, stehen dem Entwickler Fähigkeiten der Komponenten wie Ausfahren, Drehen oder Greifen zur Verfügung, mit denen er den gewünschten Ablauf einfach zusammenstellen kann.
Auch weitere Mehrwertdienste werden auf Basis Digitaler Zwillinge implementierbar. Bevor etwa Komponenten im laufenden Betrieb das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, meldet dies die Zustandsüberwachung. Der Digitale Zwilling der Maschine könnte dann automatisiert Ersatzteile bestellen. Falls es zu diesem Zeitpunkt Nachfolgemodelle für die auszutauschenden Komponenten gibt, kann der Kunde das Zusammenspiel der neuen Komponenten zunächst im virtuellen Umfeld testen und passend beschaffen.
Außerdem kann die Zustandsüberwachung im Zusammenspiel mit den Simulationsmodellen der Digitalen Zwillinge vorausschauende Wartungspläne erstellen. Auch spätere Änderungen, Optimierungen oder Umkonfigurationen an der Maschine können die Kunden durch Digitale Zwillinge im Voraus am virtuellen Modell entwickeln und testen und somit schneller realisieren.