Die Spannung steigt

Die Spannung steigt
Grossansicht Bild
Ein kombiniertes Bordnetz aus 12 VDC und 48 VDC hilft, die stetig wachsende Anzahl an elektrischen Verbrauchern im Auto mit Energie zu versorgen.
16.02.2019 | Die Idee einer höheren Bordnetzspannung in Automobilen ist nicht neu. Bereits in den 1990er Jahren wurde aus Angst, das 12-V-Bordnetz würde unter der Last der immer zahl- reicheren elektrischen Verbraucher in die Knie gehen, ein 42V-Konsortium ins Leben ge- rufen. Aufgrund fehlender Standards konnte sich dieser Ansatz jedoch nicht durchsetzen. Nun aber soll alles anders werden.

Strom wurde früher in Automobilen nur wenig benötigt. Sie liefen hauptsächlich mechanisch. Elektrische Fensterheber? Die gab es nicht. Dafür musste eine manuell zu bedienende Kurbel herhalten. Heute ziehen ganze Heerscharen von elektrischen Verbrauchern wie Sitzheizung, Komfort- und Assistenzsysteme jede Menge Strom aus der Batterie. In einem 12-V-Bordnetz müssen somit immer höhere Ströme fliessen. Damit dieses Bordnetz nicht kapituliert, installieren Hersteller nun parallel ein zweites, stärkeres Netz im Auto mit 48 Volt Gleichspannung (48 VDC).

Gestern und heute
Während das 42V-Konsortium in den 1990er Jahren noch bemüht war,  die von der zumeist zahlungskräftigen Klientel geforderten Komfort- und Fahrassistenzsysteme in Oberklassefahrzeugen zu versorgen, ist der Gedanke hinter einer höheren Bordnetzspannung heuteeinanderer. Dievonder Europäischen Kommission geforderten CO2-Grenzwerte lassen sich bei Fahrzeugen mit konventionellen Verbrennungsmotoren (Benzin, Diesel) kaum mehr erreichen. Alternative Antriebskonzepte wie rein elektrisch betriebene oder Hybrid-  PKWs sind aufgrund von Spannungen über 60 VDC mit grossen technischen Herausforderungen verbunden. Ein Bordnetz mit 48 VDC bietet die Möglichkeit, eine einfachere Hybridisierung schnell und kosteneffizient zur Marktreife zu bringen und den Schadstoffausstoss unterhalb der gesetzlicher Grenzwerte zu halten.

Integration der  48-VDC-Technologie
Das neue 48-VDC-System ersetzt das bisherige mit 12 VDC nicht. Es ergänzt es. Viele bewährte Komponenten im Fahrzeug können bestens mit 12 VDC betrieben werden, was einen kompletten Umstieg auf höhere Spannungen unnötig teuer machen würde. Nicht alle elektrischen Verbraucher werden also künftig  auf  die höhere Spannung umgerüstet. Der Hauptgrund liegt unter anderem an der Verfügbarkeit der Komponenten, die entweder ausschliesslich für 12 VDC ausgelegt oder aber als 48-VDC-Variante klar teurer sind. Zudem benötigen viele elektrische Verbraucher nur wenig Leistung und sind im 12-VDC-Bordnetz gut aufgehoben.

Insellösung vs. Kombiniertes Netz
Die Integration von einem 48-VDC- Bordnetz kann durch zwei verschiedene Konzepte erreicht werden. Bei einer "Insellösung" kommt es durch den Einsatz von beispielsweise elektrischen Turboladern oder Wankstabilisatoren zu kurzzeitigem sehr hohem Leistungsbedarf, welcher vom 12-VDC- Netz nicht mehr gedeckt werden kann. Daher werden 48-VDC-Lithiumionen- Akkus oder Superkondensatoren über einen unidirektionalen DC/DC-Wandler aus dem 12-VDC-Netz versorgt. Diese Lösung stellt die einfachste Umsetzung dar. Sie hat aber keinen Einfluss  auf den Schadstoffausstoss oder den Kraftstoffverbrauch, da die Energie konventionell über eine Lichtmaschine zur Verfügung gestellt wird.
Beim sogenannt "Kombinierten Netz" erfolgt im Gegensatz zur Insellösung der Energietransfer in umgekehrter Richtung. Ein uni- oder bidirektionaler DC/DC- Wandler versorgt  die  12-VDC-Seite aus dem 48-VDC-Netz. Dieses ist mit dem Starter-Generator, einer geregelten elektrischen  Maschine,   verbunden, und startet den Motor. Bei laufendem Verbrenner versorgt die elektrische Maschine das 48-VDC-Bordnetz.


Grossansicht Bild
Blockschaltbild eines kombinierten 12-/48-VDC-Bordnetzes
Vertretbarer Aufwand
Die  48-VDC-Technologie  lässt  sich also mit vertretbarem Aufwand in die Architektur konventionell angetriebener Fahrzeuge integrieren und bietet Funktionen, die bisher nur bei Hochvolt- Hybridsystemen mit 300 bis 400  VDC zu finden sind. Dazu zählen etwa das Abschalten des Verbrennungsmotors während der Fahrt (das sogenannte "Segeln"), ein sehr schneller Motorstart (Start-Stopp-Systeme) und  eine effiziente Bremsenergie-Rückgewinnung (Rekuperation).
Auch an anderer Stelle hilft das stärkere Bordnetz mit 48 VDC beim Sparen. Diverse Nebenaggregate, die bisher in der Regel vom Motor unter Kraftstoffeinsatz angetrieben werden mussten, können so leichter elektrisch betrieben werden und dann nur noch bei Bedarf laufen. Dazu gehören etwa die Servolenkung oder die Kühlmittelpumpe.
Ein 48-VDC-Hybridsystem bietet somit hervorragende Möglichkeiten zur Verbrauchs- und CO2-Reduzierung bei überschaubaren Kosten.

Vorteile eines 48-VDC-Bordnetzes
Ein grundlegender Vorteil eines 48-VDC- Bordnetzes ist der  geringere  Verlust  bei der Energieübertragung aufgrund kleinerer Ströme bei identischer Leistung. Daraus resultiert ein erhebliches Einsparpotential bei der Auslegung der elektrischen Leiterquerschnitte, was sich bei den Unmengen an verbauten Kabeln in modernen Fahrzeugen positiv im Gewicht niederschlägt.
Das 48-VDC-Bordnetz ermöglicht auch eine wirtschaftliche Energierückgewinnung und Speicherung während der Bremsvorgänge (Rekuperation). Hierbei arbeitet die elektrische Maschine als Generator. Bei hohem Drehmoment- und/ oder Leistungsbedarf kann dieses System aber ebenso den Verbrennungsmotor unterstützen, indem die elektrische Maschine in umgekehrter Richtung als Elektromotor versorgt aus dem 48-VDC- Akku arbeitet. Dieser Vorgang  wird  auch als "Booster" bezeichnet. Durch eine vollständige Entkopplung des Verbrennungsmotors vom Bordnetz kann dieser sogar während der Fahrt komplett abgeschaltet werden. Im Gegensatz zum konventionellen Leerlauf entstehen beim sogenannten "Segeln" keinerlei Verluste im Verbrennungsmotor. Hierdurch kann eine deutliche Kraftstoffeinsparung erzielt werden.

Nachteile und Herausforderungen
Da das gängige 12-VDC-Bordnetz weitgehend bis 60 VDC, der sogenannten SELV-Spannung (Safety Extra Low Voltage), spezifiziert ist, lassen  sich viele Kabel- und Steckkomponenten unter Berücksichtigung der Luft- und Kriechstrecken übernehmen. An lastführenden Trennstellen steigt jedoch die Gefahr von Lichtbögen aufgrund dessen ein Öffnen des Kontaktes unter Last verhindert werden muss. Unter Umständen ist auch eine Lichtbogenerkennung


Grossansicht Bild
RTS: Reflow-fähige SMD-Thermosicherung von SCHURTER

Neue Komponenten nötig
Die Anhebung des Bordnetzes auf 48 VDC erfordert einige neue elektrische Komponenten. Im Gegensatz zum 12-VDC-Generator, müssen die 48-VDC- Maschinen zusätzlich als elektrischer Motor fungieren. Zu unterscheiden sind hier verschiedene synchrone sowie asynchroneelektrische Maschinen. Sowohl Drehmoment, Wirkungsgrad als auch Leistungsdichte variieren in Abhängigkeit der Ein- und Ausgangsparameter, so dass in der Praxis vermutlich verschiedene Konzepte Anwendung finden.
Der Inverter, ein bidirektionaler Wechselrichter,       wandelt im Generatorbetrieb der elektrischen Maschine die Wechselspannung in Gleichspannung und umgekehrt im Falle einer Anwendung als Elektromotor die Gleichspannung in Wechselspannung.
DC/DC-Wandler bilden die Schnittstelle zwischen  12-  und  48-VDC-Bordnetz. In der Regel arbeitet der DC/DC- Wandler als Abwärtswandler und lädt die 12-VDC-Batterie. Ausnahmen bilden der Einsatz im Fahrzeug mit obengenannter Inseltopologie und ein Starten des Motors bei extrem niedrigen Temperaturen.
In einem kombinierten 12/48-VDC- Bordnetz  empfiehlt  sich  zwischen   den beiden Spannungsebenen ein bidirektionaler DC/DC-Wandler, da Lithiumionen-Batterien nicht kaltstartfähig sind. Deshalb ist eine  Fremdstarthilfe  in Form einer kleinen Starterbatterie im 12-VDC-Bordnetz praktisch obligatorisch. In diesem Fall arbeitet der Wandler als Aufwärtswandler.
Last but not least: Der 48-VDC-Akku benötigt für einen sicheren Betrieb ein Batteriemanagementsystem. Dieses sorgt für ein Angleichen der Einzelzellspannungen, überwacht die Temperatur und den Ladezustand und übernimmt die Kommunikation mit den Steuergeräten.

EMV nimmt an Bedeutung zu
Aufgrund   dieser   geballten   Ladung  an Elektronik und der erhöhten Leistungen muss auch dem  Thema EMV grösste Beachtung  zukommen. Die Leistungsdichte und die Anzahl involvierter Systeme wird immer  grösser, und die daraus entstehenden Probleme elektromagnetischer Art sind vorprogrammiert. Dies gilt sowohl für die Emissionen einzelner Baugruppen wie auch für die Immissionen durch andere. Die korrekte Funktion aller Komponenten hat einen essentiellen Einfluss auf die Sicherheit. Nicht nur auf jene der Fahrzeuginsassen, sondern auch jene anderer Verkehrsteilnehmer.

 

 

Quelle: White Paper SCHURTER AG


Bewertung Ø:
   
Meine Bewertung:
Rubriken: Elektrotechnik

Fragen und Kommentare (0)